Notstand an europäische Schulen

11.10.2007 Viele Jugendliche haben Probleme mit Lesen und Schreiben

Trotz eines gemeinsamen Reformplans geling es den EU-Staaten nicht, ihren Bildungsnotstand zu beheben. Die EU zog jetzt eine düstere Bilanz. Die Botschaft an die Mitglieder lautet: Werden die Anstrengungen nicht deutlich gesteigert, verspielt Europa seine Zukunft.
Analphabetismus, Schulabbrecher, Studentenmangel, Lücken in der Erwachsenenbildung - was die EU-Studie zum Stand von Europas Bildung zutage förderte, schaut trist aus.
Der jetzt vorgelegte Jahresbericht zeigt, dass die Union noch weit entfernt ist von ihren ehrgeizigen Lissabon-Zielen. Mit denen will sich die EU zu einem dynamischen, wissensbasierten Wirtschaftsraum entwickeln, der auch in Zeiten wachsender Konkurrenz aus Asien und Amerika die Nase vorn hat. Jedes Jahr untersuchen Brüsseler-Experten, wie weit die Gemeinschaft diesen Zielen näher rückt.
Doch bisher blieben die EU-Mitgliedsländer weit hinter den Zielen zurück. So gibt’s im Schulbereich noch viel zu viele Jugendliche, die ihrer Schule vorzeitig den Rücken kehren. 2006 waren das etwa sechs Millionen. Diese Zahl müsste um zwei Millionen sinken. Denn die EU will die Zahl der Abbrecher auf zehn Prozent drücken.
Hinter den Vorgaben zurück bleibt auch die Zahl der Schüler der Sekundarstufe. Sie müsste um zwei Millionen steigen. Auch die Erwachsenden hinken hinterher. Ihre Lust am Lernen ist zuwenig ausgeprägt, die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen zu gering.
Mustergültig sind nur die Schweden, die sich mit 32,1 Prozent ihrer Bevölkerung am lebenslangen Lernen beteiligten, die Dänen (29,2 Prozent) und die Britten (26,6 Prozent).
Vielfach fangen die Probleme schon beim Lesen und Schreiben an. So hat jeder Fünfte, der heute 15-Jährigen in der EU Schwierigkeiten mit diesen Grundfertigkeiten. Nur Finnland, Irland und die Niederlande schnitten bei der Bestandsaufnahme jetzt so gut ab, dass sie den Erwartungen entsprechen.
Doch es gibt Hoffnung. Sie kommt aus den mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen Bereichen. Diese sind nun so attraktiv, dass die Zahl der Studierenden alle Erwartungen übertrifft.
"Setzt sich die derzeitige Entwicklung fort, dann wird es 2010 mehr als eine Million Absolventen in diesen Studienfächern geben", heißt es in der Studie.
Wenn Europa in Zukunft in der ersten Liga mitspielen wolle, dann müssten "die Mitgliedsstaaten ihre Anstrengungen verdoppeln", mahnte EU-Bildungskommissar Jan Figel angesichts der nicht erfüllten Erwartungen. Seine Botschaft an die politischen Entscheidungsträger: "Wir müssen wirksamer in unser Humankapital investieren."

Lissabon-Ziele: Fitnesstraining für Europa
Im Zuge der Globalisierung haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs im März 2000 in Lissabon auf ein Programm verständigt, wodurch die Gemeinschaft für die Zukunft fit werden soll. Ziel ist es, die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum im Kreis der großen Weltökonomien zu machen.
"Im Rahmen des globalen Ziels, der nachhaltigen Entwicklung soll die EU zum Vorbild für den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fortschritt in der Welt werden", heißt es in der Strategie, der die Kommission unter Jose Manuel Barroso Priorität einräumt. Jedes Jahr wird geprüft, inwieweit sich die EU den Zielen nähert.
Südwestpresse, 10.10.07

Letzte Änderung: 21.11.2007