Ersatz-Großeltern lesen vor

15.10.2007 Immer mehr Kinder wachsen ohne Kontakt zu Büchern auf. Lesepaten sollen Freude am Lesen vermitteln.

Vor langer Zeit, da hat die Großmutter einer Kinderschar am Kaminfeuer Geschichten erzählt. Vor nicht ganz so langer Zeit haben Eltern und Großeltern Kindern vorgelesen. Das tun heute nur noch zwei von drei Eltern, sagt Christoph Schäfer von der "Stiftung Lesen" in Mainz.
Also müssen Ersatzvorleser her. Dafür hat die Stiftung das Projekt "Vorlesepaten" ins Leben gerufen: Erwachsen lesen Kindern vor. Solche Paten gibt es inzwischen in jeder größeren Stadt.
Etwa 200 Vorleser koordiniert der Stuttgarter Verein Leseohren, der das Projekt seit fünf Jahren betreut. "Wir schaffen es, die Kinder zu packen", meint Karin Rösler, die Vorsitzende des Vereins und Leiterin der Stuttgarter Kinderbibliothek. Die Bücherei lädt Kindergartengruppen und Schulklassen ein - die Kinder werden je nach Leseerfahrung in kleine Gruppen aufgeteilt.
"Es soll wie in einer Familie sein", sagt Rösler. In großen Gruppen hingehen bestehe die Gefahr, dass Kinder nicht mitkommen.
Wie geht die Geschichte wohl weiter? Mit dieser Frage unterbrechen die Vorleser öfter und lassen ihre Zuhörer erzählen. Wer mitdenkt, passt auch auf - und freut sich, dass er etwas beitragen kann.
"Das Erfolgserlebnis ist wichtig, genau wie die Beziehung zum Vorlesen". Kinder sollen Lesen mit Positivem verbinden.
Um Ruhe bitten müssen die Paten selten. Überschüssige Energie bauen die Kinder in einer Aufwärmrunde vor den Lesestunden ab: Füße trampeln, Hände reiben und Ohren rubbeln. Ohren rubbeln? "Das fördert die Hirndurchblutung und die Konzentration", sagt Karin Rösler.
Damit hätten gerade Kinder Probleme, die wenig Kontakt zu Büchern haben, beobachtet die Bibliotheksleiterin. Dabei gibt es auch Eltern, die ihren Kindern gerne vorlesen würden, aber zu lange arbeiten müssen. Oder zu schlecht Deutsch können, weil sie eine ausländische Herkunft haben.
Südwestpresse, 15.10.07

Letzte Änderung: 21.11.2007