Erziehungszeit wird ausgeklammert

24.10.2007 Bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes dürfen Mütter nicht diskriminiert werden, urteilte das Sozialgericht Detmold.

Das Arbeitsverhältnis endete zum 30. April 2005. Dabei hatte die junge Mutter, die vor dem Sozialgericht Detmold über die Höhe ihres Arbeitslosengeldes stritt, erst kurz zuvor ihren Job wieder aufgenommen. Nach über drei Jahren Elternzeit war sie auf ihren Posten als Sachbearbeiterin in einem Metall-Betrieb zurückgekehrt. Für die Arbeitsagentur waren die drei Monate, die sie danach wieder gearbeitet hatte, zu kurz, um die Höhe des Arbeitslosengeldes berechnen zu können. "Normalerweise gilt hier ein Bemessungsrahmen von einem Jahr", erklärt Rechtssekretär Michael Ludwig, "in Sonderfällen können es auch schon mal zwei Jahre sein." Das Arbeitslosengeld beträgt dann 60 Prozent des in diesem Zeitraum erzielten durchschnittlichen Monatsnettogehalts. Bei Arbeitslosen mit Kind sind es 67 Prozent.
Berufung auf das Grundgesetz
"Weil die Frau aber erst kurz vorher aus dem Erziehungsurlaub gekommen war", sagt der Jurist weiter, "wurde eine fiktive Bemessung zugrunde gelegt." Dies wurde notwendig, weil die Klägerin in den letzten zwei Jahren weniger als 150 Tage gearbeitet hatte. "Die fiktive Berechnung richtet sich nach der Qualifikation, die für den Beruf nötig ist", erläutert Ludwig weiter. "Nimmt man aber die letzten zwölf Monate ihrer tatsächlichen Arbeitszeit als Grundlage und klammert dabei die Elternzeit aus, käme mehr Arbeitslosengeld dabei heraus."
Die Frau fühlte sich als Mutter diskriminiert, klagte gegen die Berechnung und machte dabei verfassungsrechtliche Bedenken geltend. "Dem ist das Sozialgericht Detmold gefolgt", so der Rechtssekretär. "Dabei hat es sich einem ähnlichen Urteil aus Berlin angeschlossen." Um den im Grundgesetz verankerten Schutz von Ehe und Familie zu gewährleisten, wird der Bemessungszeitraum auch über die gesetzlich festgeschriebenen zwei Jahre hinaus erweitert, wobei Erziehungszeiten außer Betracht zu bleiben haben. Hier habe sich das Gericht auch "am europarechtlichen Diskriminierungsverbot für Frauen zu orientieren", heißt es in der Urteilsbegründung.
Im vorliegenden Fall wurden daher auch die schon vier Jahre zurückliegenden Monate Mai bis Dezember 2001 in die Berechnung miteinbezogen. Für die Klägerin hat sich der Gang zum Gericht gelohnt. Allein das Bruttojahreseinkommen, das für die Berechnung ihres Arbeitslosengeldes zugrunde gelegt wurde, stieg durch die Änderung des Bemessungszeitraums um rund 9.000 Euro.
Sozialgericht Detmold am 27. September 2006, Az. S 3 AL 100/05
Bemessungszeitraum
Mit der Berechnung des Arbeitslosengeldes unter Einbeziehung von Erziehungszeiten hatte sich bereits das Sozialgericht Berlin befasst. In ihrer Entscheidung vom 29. Mai 2006 (Az. S 77 AL 961/06) führten die Richter laut der Vorschrift des § 130 Abs. 2 Satz 1 SGB III aus, dass Erziehungszeiten für die Ermittlung des Bemessungszeitraums außer Betracht zu bleiben haben und dass es sich bei Erziehungszeiten in jedem Fall um Pflichtversicherungszeiten handele. Das Sozialgericht Detmold berief sich im vorliegenden Fall auf das Berliner Urteil und erweiterte den Bemessungszeitraum der klagenden Mutter entsprechend.
Quelle DGB

Letzte Änderung: 21.11.2007