Chef lebt von Arbeiterlohn und scheitert

Nudelfabrikant Rossi

29.10.2007 Einen Monat lang vom Gehalt eines seiner Arbeiter zu leben, das hat Rossi sich vorgenommen. Schon am 20. des Monats war die Familie blank. Die Konsequenz des gescheiterten Experiments: Rossis Beschäftigte erhalten nun mehr Geld.

Am Anfang war es nur eine fixe Idee: Ein Unternehmer, der einen Monat lang mit dem schmalen Portemonnaie eines kleinen Arbeiters lebt.

Enzo Rossi, Besitzer der Nudelfirma "La Campofilone´" im mittelitalienischen Ascoli, hat das Experiment gewagt. Auch weil er wollte, sagt er, dass seine Teenager-Töchter einmal am eigenen Leib spüren, wie sich normale Menschen einschränken müssen, um über die Runden zu kommen. Gesagt, getan - gelitten. "Ungefähr am 20. Tag des Monats war unser Experiment gescheitert. Obwohl wir sparsam waren, sind wir in der dritten Woche mit unseren Finanzen faktisch am Ende gewesen", erzählt der Unternehmer.

2000 Euro gestand Rossi seiner Familie zu.

1000 Euro netto hatte sich Enzo Rossi zugestanden, 1000 Euro auch seiner Frau - das entspricht in Ascoli dem Durchschnittseinkommen eines angelernten Fabrikarbeiters. "Da wir wussten, dass ich und meine Frau mit jeweils 1000 Euro starten, haben wir bei allen Ausgaben sehr aufgepasst", erzählt Rossi. "Wir sind nur einmal eine Pizza essen gegangen, habe in billigen Supermärkten eingekauft und den Kindern nur ein neues Kleidungsstück erlaubt."

Dennoch: "Mitte des Monats konnten wir ihnen keinen zweiten Kinobesuch erlauben, weil wir die Raten für das Haus und die anderen festen Kosten, die in unserer Familien anfallen, begleichen mussten."

Gewinner des Experiments "Unternehmer lebt von Arbeiterlohn" sind Rossis Beschäftigte. Als Konsequenz aus seinem gescheiterten Versuch, mit einem Durchschnittsverdienst auszukommen, hat der Nudelunternehmer seinen Arbeitern den Lohn erhöht. Ab Anfang kommenden Jahres erhält jeder Beschäftigte in der Nudelfabrik 200 Euro mehr.

Belegschaft beobachtete Experiment skeptisch.

Erica, die seit sechs Monaten für Rossi am Fließband steht, hatte das Experiment ihres Chefs mit Skepsis beobachtet. "Am Anfang schien uns das ein bisschen komisch. Dann haben wir gesehen, dass er es ernst meint", berichtet sie. "Dass jetzt für jeden von uns die Löhne erhöht werden, ist natürlich toll. Wir spüren es täglich am eigenen Leib, wie schwierig es ist, mit unserem Gehalt bis zum Monatsende durchzukommen."

Der Chef, meint Francesca, habe in seinem Experiment nur erfahren, was für sie und ihre Kollegen Alltag sei: "Das ist manchmal ganz schön mühsam durchzukommen. Zum Glück arbeitet auch mein Mann. Aber wir haben einen Sohn, dessen Studium wir finanzieren. Die 200 Euro pro Monat werden uns sehr helfen. Wir werden das Geld für unseren Sohn an der Universität verwenden."

Rossi: Wer ruhig schläft, arbeitet besser

Die Zeitungen in Italien berichten in großer Aufmachung über den sozial bekehrten Unternehmer. In Interviews bestreitet Rossi energisch, ein Linker oder sogar Kommunist zu sein. Im Gegenteil, sagt der Nudelfabrikant, früher habe er immer für eine Partei der Rechten gestimmt. Die Löhne erhöhe er aus sozialen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen:

"Es ist ein bisschen Egoismus dabei. Wer monatlich Sorgen hat, ob er über die Runden kommt, arbeitet nicht gut. Ich lebe vom Engagement meiner Mitarbeiter, meiner Mannschaft. Ich will, dass sie ruhig und präzise arbeiten können."

Vor allem Italiens Linksparteien klatschen Beifall zur Lohnerhöhung nach Selbstversuch. Arbeitsminister Cesare Damiano nennt Rossi den vorbildlichsten Unternehmer Italiens.

Quelle: tagesschau.de; Von Jörg Seisselberg, ARD-Hörfunkstudio Rom

Letzte Änderung: 21.11.2007