Beweislast für Selbsttötung

03.11.2007 Berufsgenossenschaft trägt Beweislast für Selbsttötung

Die bloße Vermutung, ein Versicherter habe sich in Selbsttötungsabsicht von einem Kran gestürzt, kann den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz nicht ausschließen so das Bundessozialgericht in einem aktuellen Urteil.
Die Witwe des verunglückten Arbeitnehmers wurde vom Gewerkschaftlichen Zentrum für Revision und Europäisches Recht der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten.
In einem Rechtsstreit vor dem Bundessozialgericht beanspruchte die Klägerin Hinterbliebenenleistung für ihren verstorbenen Ehemann, der unter ungeklärten Umständen von einer 40 Meter hohen Plattform eines Krans abgestürzt war und dabei tödlich verunglückte. Die Plattform des Kranes war vorschriftsmäßig mit Seitenschutzgeländern ausgerüstet. Der verstorbene Monteur war zuvor in psychiatrischer Behandlung, ohne dass sich eindeutig klären ließ, ob seine Erkrankung zum Unfallzeitpunkt bereits abgeklungen war. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte es ab, einen Arbeitsunfall anzuerkennen und Hinterbliebenenleistungen zu zahlen. Das Landessozialgericht wies die Berufung zurück, da sich nicht feststellen lasse, dass der Versicherte einen Arbeitsunfall erlitten habe. Es lasse sich nicht aufklären, ob er zum Unfallzeitpunkt überhaupt seine Versichertentätigkeit zuzurechnende Arbeiten verrichtet habe. Stattdessen lägen begründete Anhaltspunkte dafür vor, dass er seinen Absturz in Selbsttötungsabsicht herbeigeführt habe. Das Landessozialgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Das gewerkschaftliche Zentrum für Revision und Europäisches Recht der DGB Rechtsschutz GmbH hat über die Nichtzulassungsbeschwerde die Revision vor dem Bundessozialgericht erreicht und in der anschließenden Revision argumentiert, die Berufsgenossenschaft trage die Beweislast dafür, dass sich der Versicherte in Selbsttötungsabsicht herabgestürzt habe; bis zum Todessturz sei dieser einer versicherten Tätigkeit nachgegangen. Bloße Vermutungen könnten den Unfallversicherungsschutz nicht ausschließen.
Das Bundessozialgericht hat die beklagte Berufsgenossenschaft zur Zahlung von Hinterbliebenenleistungen verurteilt. Das Landessozialgericht habe zwar deutliche Anhaltspunkte für eine Selbsttötung gesehen, gleichzeitig aber nicht ausschließen können, dass der Getötete noch betriebliche Arbeiten im Zusammenhang mit der Einrichtung der Baustelle verrichtet hat und dabei abstürzte.
In einer solchen Situation treffe die Beweislast dafür, dass der Versicherte nicht bei der Arbeitstätigkeit verunglückt ist, sondern Selbstmord begehen wollte, den Versicherungsträger. Verunglückt ein Versicherter wie hier unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, wo er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet hatte, so entfällt der Versicherungsschutz nur dann, wenn bewiesen wird, dass er die versicherte Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt für eine private Tätigkeit unterbrochen oder beendet hatte. Dieser Beweis sei hier nicht erbracht.
Bundessozialgericht am 04.09.2007, Az. B 2 U 28/06 R
Quelle DGB-Rechtsschutz

Letzte Änderung: 21.11.2007