Wirbel um Berliner Straßenstrich

28.11.2007 Die Prostituierten in der Berliner Kurfürstenstraße klagen - sie werden von der Konkurenz aus Osteuropa verdrängt

Zu den feinen Adressen in Berlin gehört die Kurfürstenstraße schon lange nicht mehr. Nicht zuletzt seit Christiane F. und ihrem Buch "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", in dem es um das Leben als anschaffende Drogenabhängige ging, ist dieser Straßenstrich auch bei szenefremdem Publikum bekannt.
Prostituierte in hohen Stiefeln werben auf den Bürgersteigen rund um den U-Bahnhof Kurfürstenstraße im Stadtteil Schöneberg um Kunden - professionell oder aber um Geld für "Stoff" zu verdienen. Etwa 30 Jahre nach Christiane F. empören sich Politiker und Ahnwohner erneut: Vor einigen Wochen wurden Pläne für ein Großbordell bekannt. Zudem fielen Prostituierte aus Osteuropa zunehmend mit aggressivem Geschäftsgebaren auf.
Dabei schien es lange so, als hätten sich die Anwohner zwischen Altbauten, Erotik-Kaufhaus, Kindertagesstätten und dem Promi-Café "Einstein" mit den Prostituierten arrangiert. Unter den Frauen sind auch sehr junge Mädchen, die unter der lilafarbenen Leuchtreklame des Sex-Supermarktes "LSD" auf und ab schlendern.
Die Kita-Leiterin Charlotte Marx berichtet von einem regen Treiben vor ihrem Gebäude.
"Frau an Frau, Auto an Auto." Wenn Väter ihre Kinder abholten, würden sie gierig am Ärmel gezupft. Es gibt Berichte über Osteuropäerinnen, die vorbeilaufenden Männern zwischen die Beine gegriffen oder zu Niedrigpreisen Sex ohne Kondom angeboten haben sollen. Anwohner bezeichnen die Situation als "untragbar".
Katharina Cetin, Projektleiterin beim Verein Hydra, der in Berlin Prostituierte betreut, führt das offensive Werben der Bulgarinnen oder Ungarinnen auf kulturelle Unterschiede zurück.
Eine Vermittlerin sei für Hydra unterwegs, um die Frauen, die im Frühjahr 2007 gekommen seien, dafür zu sensibilisieren. Auch der Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg, Ekkehard Band (SPD), sagt: "Wir haben eine neue Qualität der Prostitution erreicht. Das ist ein Problem, das aus der Freizügigkeit der Europäischen Union folgt."
SÜDWESTPRESSE, 27.11.07

Letzte Änderung: 28.11.2007