Eine Mutter kämpft um ihren Sohn

06.12.2007 Eine 45-jährige Mutter will sich nicht damit abfinden, dass ihr Sohn in die rechtsextreme Szene abgedriftet ist. Doch sie bleibt mit ihrem Problem auf sich gestellt.

Marion Müllers (Name geändert) Sohn ist rechtsextrem. Sie hasst seine Springerstiefel, die Nazi-Embleme, die fremdenfeindliche Sprüche und die Alkohol-Exzesse mit den "neuen Freunden". Seit zwei Jahren hält sie dagegen, will ihn aus der Szene rausholen.
Kürzlich war er auf eine NPD-Kundgebung. Sie ging mit seinen kleinen Geschwistern zur Gegendemo "Bunt statt Braun". Freunde haben ihr geraten: "Schmeiß ihn raus!" Doch sie will ihren Jungen nicht aufgeben: "Dann stützt er ganz ab", sagt sie und fügt hinzu: "Das hat er nicht verdient."
Robert (Name geändert) sei eigentlich vernünftig und liebenswert, sagt die allein erziehende Mutter aus dem niedersächsischen Landkreis Osnabrück. Der 19-jährige hätte eine Lehre beginnen können. Dann brach er plötzlich das Praktikum ab, fing an zu trinken, wurde aggressiv.
"Die Rechten verteilen kostenlos CDs an den Schulen, sprechen die Schüler an", sagt Marion Müller. Sie ist gut informiert. "Die treffen die Jugendlichen in einer Phase, in der sie nach Orientierung suchen."
Sie hat sich an die Polizei gewandt und an den Staatsschutz. Sie war bei einer Familienberatungsstelle, ist der Bürgerinitiative beigetreten. Die 45-jährige fühlt sich dennoch allein gelassen. Viele vermeintliche Helfer seien unwissend oder wollen das Problem klein reden.
Jugendlichen träfen sich meistens privat, auch in Roberts Zimmer. "Dann trinken sie, grölen rechtsradikale Parolen und hören verbotene Musik." Wenn Marion Müller dann die Polizei anruft, hört sie mal den Ratschlag, sie sollte ihrem Sohn sagen, er sollte die Musik leiser machen.
Der Staatsschutz habe die örtliche Polizei immerhin zu einer konsequenten Verfolgung der Delikte gedrängt, sagt Müller. Im Internet hat sie vergeblich nach Hilfsinitiativen in ihrer Nähe geforscht.
"Dabei weiß ich allein aufgrund der Zahl von Roberts Freunden, dass es in der Region einige Familien mit rechtsextremen Kindern gibt." Doch die meisten Eltern schweigen aus Scham. Dennoch hat sie die Gründung einer Selbsthilfe-Gruppe in die Wege geleitet.
Außerdem hofft sie auf die Hilfe der Aussteiger-Organisation EXIT in Berlin. EXIT- Gründer Bernd Wagner bestätigt, dass die Probleme der Familien rechtsextremer Jugendlicher nicht präsent seien. Selbst seine auch aus Bundesmitteln geförderte Organisation habe erst vor gut einem Monat die "EXIT- Familienhilfe" beginnen können.
Zumindest in Westdeutschland gebe es zu wenige gut ausgebildete Mitarbeiter für Hilfsprojekte, die überdies schlecht bezahlt würden.
Die neue EXIT - Broschüre "Letzter Halt: Ausstieg, Wege aus der rechtsextremen Szene" rät Eltern: Sie sollen den Kontakt zu ihrem Kind aufrechterhalten, ihm weiter Liebe und Vertrauen entgegenbringen. Sie sollen aber auch trotz quälender Streitereien und offener Hasstiraden ihre Ablehnung gegenüber der rechten Gesinnung zum Ausdruck bringen.
In dieser Quadratur des Kreises versucht sich Marion Müller täglich. Von einem noch ausstehenden Gespräch mit einem EXIT- Mitarbeiter verspricht sie sich viel. Immerhin hat Robert eine Alkoholtherapie begonnen. Neulich habe er ihr erzählt, dass einer seiner Freunde mittlerweile auf der Straße lebe.
"Da hat er gesagt: Mama, so will ich nicht enden."
Online-Info
www.exit-familienhilfe.de
Südwestpresse,06.12.07

Letzte Änderung: 06.12.2007