Mutter sieht sich diskriminiert

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30.01.2008 Sule Eisele, 38-jährige Versicherungsbetreuerin klagt gegen ihren Arbeitgeber, weil sie sich diskriminiert fühlt

Am Tag vor dem Ende des Mutterschutzes wurde Sule Eisele von ihrem Vorgesetzten zum Personalgespräch gebeten.
Sie ging davon aus, dass sie nach der Geburt ihrer Tochter wieder ihren bisherigen Job machen könnte bei der R+V Versicherung. Dort betreute die studierte Germanistin als Versicherungsagentin Kunden im oberschwäbischen Bezirk Bad Saulgau (Kreis Sigmaringen).
Doch der Chef hatte andere Pläne. Er bot der 38-Jährigen an, eine Teilzeitstelle anzunehmen oder die volle Elternzeit zu nehmen.
Die Mitarbeiterin bestand aber auf ihren angestammten Bezirk und auf Vollarbeitszeit. Dort aber, stellte sich heraus, arbeitete bereits ihr Nachfolger. Man offerierte ihr schließlich einen anderen, weniger lukrativen Bezirk. Ihr Zugang zur EDV des Versicherungskonzerns war am ersten Tag nach dem Mutterschutz abgeschaltet.
"Das ist so, wie wenn Sie einem Taxifahrer das Taxi wegnehmen", sagt Josef Eisele, der Ehemann.
Die Behandlung durch den Arbeitgeber will sich Sule Eisele nicht gefallen lassen. Die Frau mit deutscher Staatsbürgerschaft sieht sich als Frau diskriminiert und auch wegen ihrer Herkunft aus der Türkei.
Sie hat Klage beim Arbeitsgericht Wiesbaden erhoben. Nach Auskunft ihrer Anwälte, Michael Alenfelder und Frank Jansen, ist dies das erste bekannte Gerichtsverfahren nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
Die Rechtsvorschrift gilt seit August 2006, und darin wurden Vorgaben der Europäischen Union umgesetzt. Niemand soll wegen seines Geschlechts und wegen seiner Herkunft Nachteile im Berufsleben erleiden.
"Die EU-Vorgabe muss nun von deutschen Justiz mit Leben gefüllt werden", sagt Anwalt Jansen. Er und Alenfelder, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Antidiskriminierungsrecht, sind sich bewusst, dass sie Pionierarbeit leisten.
"Irgendeiner", sagt Jansen, "muss anfangen." Viele Juristen schauen gespannt auf den Ausgang des Verfahrens. Die Frage ist: Wie beurteilen deutsche Gerichte solch einen Fall? Das Gesetz verlangt eine abschreckende Strafe. Deswegen haben Alenfelder und Jansen auch nicht gekleckert bei der Schadensersatzforderung. Sie beantragten 500 000 Euro.
Zunächst wird es in Wiesbaden einen Gütetermin geben. Zudem läuft am Arbeitsgericht Ulm ein Verfahren, in dem Sule Eisele die Weiterbeschäftigung auf ihrer alten Stelle durchsetzen will. Das Gericht tagte in Sigmaringen. Der Arbeitgeber bot, so Eisele, in der Sitzung nur eine Abfindung an.
Mit seiner Frau sei umgegangen worden wie mit tausenden Frauen, sagt Josef Eichele. Frauen verlieren ihren Job vegen ihrer Schwangerschaft: "Das ist ziemlich normal, dass Frauen rausgedrängt werden." Ihm und seiner Frau gehe es nicht um eine hohe Summe, versichert Eisele. Sondern darum, Firmen zu zeigen, dass es teuer werden kann, wenn man Menschen wegen ihres Geschlechts und wegen ihrer ethnischen Herkunft schlechter stelle.
SÜDWEST PRESSE,30.01.2008

Letzte Änderung: 30.01.2008