Ein neuer Lebensabschnitt

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31.05.2008 Herta Däubler-Gmelin will 2009 nicht mehr für den Bundestag kandidieren

In einem persönlichen Brief an die SPD-Mitglieder des Wahlkreises hat Herta Däubler-Gmelin gestern angekündigt, zur nächsten Wahl nicht mehr anzutreten. Sie gehört dem Bundestag seit 1972 an.

Nach 37 Bundestags-Jahren ist es dann Zeit für den Ausstieg, findet Herta Däubler-Gmelin. Die SPD-Abgeordnete feiert am 12. August ihren 65. Geburtstag. Bild: Sommer
Tübingen. "Ich werde 65 Jahre alt." So begründete die Vorsitzende des Menschenrechts-Ausschusses des Bundestags uns gegenüber, weshalb sie nach der laufenden Legislaturperiode aus dem Parlament ausscheiden will. Auch ihre persönliche, familiäre und gesundheitliche Lage spielten eine Rolle. "So eine Entscheidung ist immer mit einem lachenden und einem weinenden Auge verbunden", sagte die Abgeordnete.

Das gemeinsame Engagement "für unsere Vision von einer gerechteren Gesellschaft und einer gerechteren, friedlichen Welt" seien ein bestimmendes Element in ihrem Leben, schrieb Däubler-Gmelin an ihre Parteifreunde. Das solle auch so bleiben. Die Juristin will sich zwar nicht sofort wieder in Aufgaben stürzen, die sie rund um die Uhr fordern. Doch es gebe "eine Reihe internationaler Organisationen, die gern mit mir in Kontakt bleiben möchten, und eine Reihe von Dingen, die mich reizen", sagte sie uns.

Die Tochter des früheren Tübinger Oberbürgermeisters Hans Gmelin wurde 1972 erstmals in den Bundestag gewählt. Damals kandidierte sie in Schwäbisch-Hall/Backnang. 1980 trat sie die Nachfolge des Tübinger Abgeordneten Friedrich Schäfer an. In all den Jahren konnte sie nur einmal, 1998, das Direktmandat erringen, nachdem sie es vier Jahre zuvor knapp verfehlt hatte.

Mit der rot-grünen Koalition kam der Höhepunkt der politischen Karriere Däubler-Gmelins. 1988 war sie als erste Frau zur stellvertretenden Bundes-Vorsitzenden der SPD gewählt worden. Wolfgang Schäuble, heute CDU-Innenminister und ebenfalls seit 1972 im Bundestag, hatte sie 1993 als Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts verhindert. Nun wurde sie Justizministerin der ersten Regierung Gerhard Schröders. Vier Jahre später erklärte sie unmittelbar vor der Wahl, für dieses Amt nicht mehr zur Verfügung zu stehen, nachdem sie wegen eines umstrittenen Hitler-Bush-Vergleichs bei einer Versammlung Tübinger Betriebsräte unter Druck geraten war. Sie wurde Vorsitzende des Ausschusses für Verbraucherschutz. Seit 2005 steht sie dem Ausschuss für Menschenrechte vor.

Däubler-Gmelins Rückzug wird das politische Kräftegefüge in der Region verändern. Der Tübinger SPD-Kreisvorstand will eine Findungskommission für die Nachfolge gründen. Als möglicher Kandidat gilt der Chef der Tübinger Stadtratsfraktion Martin Rosemann, 31. Auch die Tübinger Ortsvereinsvorsitzende Esther Peylo, 42, denkt darüber nach anzutreten. Die Kreisvorsitzende Dorothea Kliche-Behnke schließt eine Kandidatur dagegen aus: Die 27-Jährige hält sich für politisch zu unerfahren. Sie setzt derzeit andere Schwerpunkte.

Allerdings ist es fraglich, ob die Tübinger SPD künftig überhaupt noch in Berlin vertreten sein wird. Nach langen Jahren ohne Abgeordneten melden auch Zollernalb/Sigmaringen und Reutlingen Ansprüche auf vordere Listenplätze an. Dort will der 30-jährige Kreisvorsitzende Sebastian Weigle kandidieren. Man wolle die Sache "in aller Fairness" klären, versicherte er uns. Bei der Wahl 2005 kam die Landes-SPD auf 30,1 Prozent der Stimmen. Sie stellt 23 Bundestagsabgeordnete, von denen drei aus Südwürttemberg kommen. Nach heutigen Umfragewerten muss die Partei jedoch mit Mandatsverlusten rechnen.
SÜDWEST PRESSE,31.05.2005

Letzte Änderung: 31.05.2008