Aufregung um "befleckte " Braut

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04.06.2008 Die Entscheidung eines Gerichts, eine Ehe wegen fehlender Jungfräulichkeit der Braut zu annullieren, schlägt in Frankreich hohe Wellen.

Aufregung um "befleckte " Braut
Die Entscheidung eines Gerichts, eine Ehe wegen fehlender Jungfräulichkeit der Braut zu annullieren, schlägt in Frankreich hohe Wellen.
Über einen Rückfall ins Mittelalter schimpft Fadela Amara, Staatssekretärin für Vorstadtpolitik, während die sozialistische Ex-Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal von grober Missachtung der Würde und Rechte der Frauen spricht. Aber nicht nur Politiker, auch Ärzte, Frauen- und Menschenrechtsverbände erregen sich über das als "skandalös " und "archaisch " bezeichnete Urteil. Der Richterspruch stammt aus dem Jahr 2006 und wurde jetzt durch einen veröffentlichten Kommentar in einer juristischen Fachzeitschrift bekannt.

Tatsächlich ist vor zwei Jahren im nordfranzösischen Lille die Ehe einer 25-Jährigen und eines 30- Jährigen für ungültig erklärt worden, weil die Braut ihren künftigen Ehemann "getäuscht " haben soll. So hatte die junge Frau moslemischen Glaubens versichert, sie sei noch Jungfrau, was für den moslemischen Bräutigam wichtig war.

Noch in der Hochzeitsnacht stellte der Frischvermählte jedoch fest, dass seine Braut ihn belogen hatte. Tags darauf brachte er seine Frau zu deren Eltern zurück, weil sie "seine Ehre beschmutzt " habe. Die beiden Familien einigten sich darauf, die Eheschließung annullieren zu lassen. Der Anwalt des Mannes zog dies einer diskreteren Scheidungsprozedur vor. Die verschmähte Frau stimmte der Auflösung zu, die "im gegenseitigen Einverständnis " vorgenommen wurde.

Der Anwalt des sich geprellt fühlenden Gatten berief sich während des Verfahrens auf einen verstaubten Paragraphen im Zivilgesetzbuch, der die Aufhebung einer Trauung ermöglicht, wenn bezüglich einer der "wesentlichen Eigenschaften " der Ehegatten falsche Tatsachen vorgespiegelt wurden. In der Rechtspraxis, so ein Sprecher des Justizministeriums, sei der Paragraph bisher jedoch nur angewandt worden, wenn eine kriminelle Vergangenheit verschwiegen wurde, ein Irrtum bezüglich der Identität vorlag oder einer der beiden Eheanwärter bereits verheiratet war.

Nun verlangt die konservative Regierungspartei, dass der Kassationshof das Urteil für nichtig erklärt, während die sozialistische Opposition dafür plädiert, den aus Napoleons Zeiten stammenden Paragrafen schleunigst zu streichen.
Südwest Presse,04.06.2008

Letzte Änderung: 04.06.2008