Unzufriede deutsche Arbeitnehmer

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12.06.2008 Diese Untersuchung dürfte Personalchefs interessieren: In einer Online-Studie haben Hunderte Arbeitnehmer ihren Job beurteilt. 70 Prozent der Befragten wollen sich eine neue Stelle suchen.

Diese Untersuchung dürfte Personalchefs interessieren: In einer Online-Studie haben Hunderte Arbeitnehmer ihren Job beurteilt. Die meisten klagen über Konkurrenzdruck, fehlende Aufstiegschancen, Resignation. 70 Prozent der Befragten wollen sich eine neue Stelle suchen.

Hamburg - Die Stimmung in deutschen Unternehmen ist miserabel. Das
geht aus einer aktuellen Online-Studie hervor. Knallharter Konkurrenzkampf mit den Kollegen, massiver Druck von den Vorgesetzten, kaum eine Chance aufzusteigen - viele Arbeitnehmer haben nur noch einen Wunsch: Holt mich hier raus!

Durchgeführt wurde die Untersuchung vom Institut für Mittelstandsforschung der Universität Lüneburg und vom Hanseatischen Personalkontor in Hamburg. Die Fragestellung der Wissenschaftler: Welchem Wettbewerbsdruck sind Deutschlands Arbeitnehmer ausgesetzt? Und wie gehen sie damit um?

Mitarbeiter-Protest (bei Daimler): Überangebot an Arbeitskräften
AP

Mitarbeiter-Protest (bei Daimler): Überangebot an Arbeitskräften

Die Ergebnisse sind bitter. Folgenden Aussagen stimmte jeweils eine Mehrheit oder zumindest eine knappe Mehrheit zu:

* "Es gibt innerhalb des Unternehmens, in dem ich beschäftigt bin, nur relativ wenige attraktive (Aufstiegs-)Positionen und viele qualifizierte Mitarbeiter, die sich um diese Positionen bemühen." (knapp 50 Prozent)
* "Es gibt wenige Stellen, die passend zu meinem Berufsfeld auf dem Arbeitsmarkt angeboten werden, und viele qualifizierte Personen, die sich um diese Stellen bewerben." (rund 55 Prozent)
* "Der Wettbewerb innerhalb meines Unternehmens um attraktive Positionen ist sehr stark." (knapp 50 Prozent)
* "Der Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt um die Stellen, die zu meinem Berufsbild gehören, ist sehr stark." (knapp 80 Prozent)

An der Online-Studie nahmen insgesamt 1650 Arbeitnehmer teil. Die meisten von ihnen üben qualitativ anspruchsvolle Tätigkeiten in der gewerblichen Wirtschaft aus. Die Befragung ist nicht repräsentativ, "für die anvisierte Zielgruppe dürfte die Studie aber realistische Ergebnisse liefern", schreibt Autor Albert Martin von der Uni Lüneburg.

Die Kollegen schenken sich nichts

Die Antworten der Teilnehmer lassen auf ein hohes Frustrationspotential schließen. "Arbeitnehmer sind offenbar nicht anders als Unternehmen darauf angewiesen, sich ständig gegen Mitbewerber zu behaupten", erklärt Martin. Etwa die Hälfte der Befragten sehe - gemessen an den verfügbaren Stellen - "ein deutliches Überangebot an Arbeitskräften".

Für die Chefs ist das eine angenehme Situation. Sie können die Mitarbeiter bequem gegeneinander ausspielen. Knapp 30 Prozent der Befragten stimmen denn auch dieser Aussage zu: "Die Unternehmensleitung forciert ganz bewusst den Wettbewerb ihrer Mitarbeiter um attraktive Positionen."

Dabei sind es aber nicht nur die Chefs, die den Beschäftigten Druck machen. Auch die Kollegen untereinander schenken sich nichts. Jeder vierte Befragte stellt fest, dass der unternehmensinterne Wettbewerb von einem übertriebenen Konkurrenzverhalten der Kollegen angeheizt werde. Beides bedingt sich übrigens: In jenen Unternehmen, in denen ein hoher Arbeitgeberdruck herrscht, verschärft sich auch das Konkurrenzverhalten der Kollegen.

"Erwartungen werden bitter enttäuscht"

Alles in allem sind die Arbeitnehmer mit ihrem beruflichen Leben nicht gerade zufrieden. Viele Arbeitsverhältnisse entsprechen nicht den Vorstellungen der Beschäftigten, oft ist die aktuelle Stelle nur das kleinere Übel - vergleichen mit der Alternative, überhaupt keinen Job zu finden.

Besonders erschreckend: Eine gute Bildung ist keineswegs eine Garantie dafür, dass sich die Beschäftigten in ihrem Beruf wohl fühlen. Im Gegenteil, schreibt Studienautor Martin: "Es kann leicht passieren, dass die durch den Erwerb eines höheren Bildungsabschlusses geweckten Berufserwartungen angesichts der tatsächlich verfügbaren Stellenprofile bitter enttäuscht werden."

Mit anderen Worten: Politik und Wirtschaft fordern die Bürger immer wieder auf, sich zu qualifizieren. Doch auf dem Arbeitsmarkt haben die Menschen nicht unbedingt etwas davon - einfach deshalb, weil es keine passenden Jobs gibt.

Das zeigt sich auch in den Umfrageergebnissen. Mehr als 30 Prozent halten die Art ihrer Tätigkeit verglichen mit der Ausbildung für "nicht angemessen". Mit ihrer gegenwärtigen Position im Unternehmen sind sogar knapp 40 Prozent unzufrieden. Auch die Karrieremöglichkeiten passen nicht zu dem, was sich die Arbeitnehmer aufgrund ihrer Ausbildung erhofft haben: Knapp 50 Prozent äußern sich hier kritisch.

Viele resignieren

Interessanterweise gibt es bei den Antworten kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Auch das Ausbildungsniveau spielt keine große Rolle. Großen Einfluss hat dagegen die Art des Beschäftigungsverhältnisses: Besonders unzufrieden äußern sich Teilzeitkräfte, Leiharbeiter und Arbeitnehmer mit befristeten Verträgen.

"In diesen wenig angenehmen Umständen ist es durchaus verständlich, wenn sich bei einem davon betroffenen Arbeitnehmer eine resignative Haltung entwickelt", erklärt Martin.

70 Prozent aller Befragten stimmen denn auch dieser Aussage zu: "Ich werde versuchen, bei einem anderen Arbeitgeber eine bessere Stelle zu erhalten."

Letzte Änderung: 12.06.2008