AUTO-VORSCHAU 2009

Vorschaubild

22.12.2008 "Es wird sehr grausam"

Von Jürgen Pander

Selten waren die Prognosen für den Automarkt in Deutschland derart düster wie zu diesem Jahreswechsel. Trotzdem wird die Industrie 2009 mehr als hundert neue Modelle vorstellen. Vier Experten erklären, welche Karossen Hit-Potenzial haben.

Wenn Autos innerhalb weniger Monate entwickelt würden - im kommenden Jahr gäbe es wohl nur über wenig neue Modelle zu berichten. Denn die Industrie rumpelt gerade über eine holprige Wegstrecke, einige Hersteller schlingern sogar gefährlich nah am Abgrund. Doch weil es vier bis fünf Jahre dauert, bis ein Auto serienreif ist, kommen im jetzt schon zum Krisenjahr ausgerufenen 2009 ebenso viele neue Pkw auf den Markt wie sonst auch; es werden mehr als hundert Typen sein, deren Entwicklung in einer Zeit begann, als es weder eine Klimadebatte, eine Benzinpreisrallye und geschweige eine globale Finanzkrise gab.

Entsprechend konventionell sieht die Neuware auch aus, die im kommenden Jahr auf den Markt rollen wird. Von der "zweiten Erfindung des Automobils", die Daimler-Chef Dieter Zetsche unlängst im Zusammenhang mit Hybrid- und Elektromobilen des Konzerns ausgerufen hat, kann im Zusammenhang mit den frischen Modellen jedenfalls nicht die Rede sein. Trotzdem gibt es in der Flut der Novitäten einige Autos, die aus der Masse herausragen. Weil sie wenigstens ein bisschen zukunftweisend sind, sie aktuelle Trends bedienen oder weil sie ein wenig durchdachter sind als ihre jeweiligen Vorgängermodelle.

Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen zum Beispiel hält acht der kommenden Auto-Neuheiten für besonders erwähnenswert. Die Mercedes E-Klasse wegen der neuen Designsprache und der ökonomischen Bedeutung des Modells für die Marke; den Porsche Panamera, weil die Zuffenhausener mit dem Auto "die frühere Nischenrolle und die Konzentration auf das Sportwagensegment endgültig aufgeben".

Trend zur Miniaturisierung

Audi A5 Cabrio, Ford Ka und Alfa Romeo 149 hält Dudenhöffer für Schlüsselmodelle der jeweiligen Marken, ebenso den BMW X1, der als erster kompakter Edel-SUV positioniert werden soll. Schließlich hebt der Autoexperte die beiden Toyota-Debütanten iQ und Prius hervor. Ersteren, weil der Kleinstwagen dem neuen Trend zur Miniaturisierung folgt, und das neue Hybrid-Auto, weil mit ihm "ein Kostensprung bei der Voll-Hybrid-Technik realisiert" werde. Insgesamt jedoch ist Dudenhöffer pessimistisch. "Es wird sehr grausam", ist der Tenor seiner Prognose für den deutschen Automarkt.

Einen internationaleren Blick wirft Nick Margetts, Deutschland-Geschäftsführer des Marktbeobachters Jato Dynamics auf die Autoszene. In Europa hält Margetts den Opel Insignia und den Toyota iQ für die wichtigsten Modelle. "Der Insignia ist aus unserer Sicht gut ausgestattet und preislich sauber positioniert. Dieser Wagen muss im Markt einschlagen, hat aber auch zweifellos die Substanz dazu." Als Erfolg versprechend stuft der Analyst auch den Autozwerg von Toyota ein. "Der iQ passt zu den wichtigsten Käufer- und Wirtschaftstrends und kann sich auf eine Zulassungswelle freuen. Auf solche Autos warten viele."

Margetts hält zudem das indische Basisauto Tata Nano für eines der großen Themen 2009. "Auch wenn das Auto an sich keine Neuigkeit mehr ist, wird die Marktentwicklung des Wagens in Indien viel aussagen, denn hier steckt Potenzial, um ein ganzes Land im großen Stil automobil zu machen."

Gelungener Insignia

Wieder ganz auf den deutschen Markt konzentrieren sich die Prognosen von Martin Hölz, Partner und Autoexperte des Beratungsunternehmens Deloitte. Zu seinem Top-Quartett für 2009 gehören Opel Insignia Kombi, Porsche Panamera, Mercedes E-Klasse und der neue VW Polo. Für Panamera, E-Klasse und Polo sieht Hölz trotz der insgesamt schwierigen Situation gute Aussichten auf Erfolg. "Diese Modelle werden wohl nahtlos an die Erfolgsgeschichte ihrer Vorgänger anknüpfen." Beim Opel Insignia sei die Lage weniger eindeutig. Hölz: "Mit Blick auf die prekäre Situation bei Opel hoffen wir, dass dieses nach unserer Ansicht technisch und optisch gelungene Fahrzeug nicht durch die Krise bei der Konzernmutter General Motors negativ beeinflusst wird."

Weniger wirtschaftlich als vielmehr stilistisch geprägt ist die Vorhersage von Othmar Wickenheiser, Design-Professor an der Hochschule München. "Entgegen aller Kritik am Automobil und den Forderungen nach revolutionären neuen Fahrzeugkonzepten zeichnen sich die Neuvorstellungen im Autojahr 2009 weder durch Designhysterie noch formale hektische Betriebsamkeit aus - und das ist gut so", sagt Wickenheiser. "Solange keine radikalen Antriebsinnovationen aus den Ingenieursabteilungen kommen, wären exaltierte Designexperimente einfach deplaziert."

Die Familie wird sportlich

Gestalterische Innovationen sind also nicht zu erwarten. Der neue Ford Ka ahmt nach Wickenheisers Einschätzung das Erfolgskonzept des Fiat 500 nach, "ohne jedoch eine Ikone als Vorgängermodell aufweisen zu können"; der Toyota iQ sehe "unentschlossen und als Neuvorstellung bereits alt" aus. Wickenheisers Lob ernten das Design des Kleinwagens Kia Soul sowie der Porsche Panamera. "Bis auf den hölzern wirkenden Schwellerbereich ist der neue Porsche keine experimentelle Neuerscheinung, sondern der gelungene Transfer der stilistischen Merkmale des Mythos 911 auf einen atemberaubenden, familientauglichen Sportwagen."

Das Autojahr 2009 verspricht also solide Hausmannskost. Spannender dürfte die wirtschaftliche Entwicklung etwa für den GM-Konzern sein. Er und auch alle anderen Autobauer sind gefordert, schnell sinnvolle Konzepte auf die Straße zu bringen - auch in Bezug auf die CO2-Grenzwerte - und die müssen nicht nur sparsam, sondern auch alltagstauglich und zuverlässig sein.

Artikel aus Spiegel-Online vom 22.12.08

Letzte Änderung: 22.12.2008