Finger weg von unseren Tarifverträgen!

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19.02.2009 IG Metall Reutlingen-Tübingen kontert den Angriff der Arbeitgeber auf die Aufzahlung beim Kurzarbeitergeld

Reutlingen, 18. Februar 2009

"Aufschlag bei Kurzarbeitergeld muss weg" titelte der Reutlinger Generalanzeiger am Samstag, 14. Februar 2009. Der Arbeitgeberverband Südwestmetall und seine Reutlinger Bezirksgruppe verkaufen diese Idee als Mittel gegen die Krise zum Wohle der Beschäftigten. Die IG Metall Reutlingen-Tübingen und die hiesigen Betriebsräte sind da ganz anderer Meinung.

Herr Stefan Wolf, Vorsitzender, und Herr Johannes Ritzi, Geschäftsführer der Südwestmetall-Bezirksgruppe Reutlingen, besprachen letzten Freitag mit einigen Unternehmensgeschäftsführern aus der Region im Beisein der örtlichen Medien das Ergebnis einer Umfrage zur Lage und Stimmung in der krisengeschüttelten Branche: Teilweise unerfreuliche Auftragslagen und überwiegend pessimistische Prognosen der befragten Unternehmer prägten das Bild.

Messerscharf zogen Funktionäre und Mitglieder des Arbeitgeberverbands daraus den Schluss, dass Kostensenkung auch diesmal wieder das Mittel der Wahl ist. Die Kostensenkung soll, so die Arbeitgeber, vor allem helfen, Arbeitsplätze zu sichern. Und deshalb finden die Arbeitgeber es auch legitim, dass diese Kostensenkung zu Lasten der Beschäftigten geht.

Im Katalog von Südmestmetall zu den Stellschrauben der Kostensenkung steht zuallererst die Streichung des tarifliche Zuschusses zum Kurzarbeitergeld. Herr Dr. Jan Stefan Roell, Vorsitzender von Südwestmetall, brachte diesen Punkt kürzlich in die öffentliche Debatte ein. Herr Roell kratzt damit an einer tariflichen Regelung, die bereits seit 1980 für alle Beschäftigten in den Verbandsunternehmen gilt.

"Finger weg von bestehenden Tarifverträgen!", warnt Markus Siegers, Betriebsratsvorsitzender bei ElringKlinger AG. Der Betriebsratsvorsitzende bei Still Wagner GmbH, Harry Mischke, unterstreicht, dass die Passagen zur Kurzarbeit im Manteltarifvertrag speziell für Krisenzeiten gemacht seien. "Wenn die Arbeitgeber jetzt, wo die Krise da ist, nichts mehr davon wissen und den Tarifvertrag an dieser Stelle aushebeln wollen, dann ist das Anarchie."

Unternehmer jammern auf hohem Niveau

Betriebsratsvorsitzender Kurt Rein von der Wafios AG kann die Haltung der Arbeitgeber ebenfalls nicht nachvollziehen und findet Herrn Roells Vorstoß anmaßend: "Wir habe bei Wafios AG in den vergangenen Jahrzehnten schon etliche Male Kurzarbeit gehabt und diverse Krisen bewältigt und zwar jedes Mal auf Grundlage der tariflichen Regelung zur Kurzarbeitsaufzahlung." Das Unternehmen habe es bislang jedes Mal überlebt. Er könne nicht erkennen, warum das diesmal nicht der Fall sein sollte.

Südwestmetall jammert auf hohem Niveau. "Die Daimler AG etwa, einer der Hauptträger der Arbeitgeberkampagne gegen die Aufzahlung, dramatisiert derzeit den Umstand, dass der Konzern in 2008 >nur< 1,4 Milliarden Gewinn gemacht hat", sagt IG Metall-Sekretär Ernst Blinzinger. Auch wenn zum Jahresende 2008 die Entwicklung insbesondere bei den Automobilbauern nicht gut gewesen sei, dürfe man nicht vergessen, dass die Metallbranche insgesamt in den letzten Jahren enorme Gewinne eingefahren habe. Demgegenüber gehörten die Beschäftigten seit mindestens zehn Jahren zu den Dauerverlierern, denn sie seien mit permanentem Reallohnverlust geschlagen.

Mit besonderem Unverständnis wird das Ansinnen der Arbeitgeber in den Betrieben aufgenommen, denen es trotz Krise gut geht. Helmut Buck ist Betriebsratsvorsitzender in einem solchen Unternehmen, nämlich bei Erbe GmbH, Elektromedizin: "Bei uns haben die Tarifverträge immer einen festen Bestand gehabt und darüber lassen wir auch in Zukunft nicht mit uns diskutieren." Auch Herbert Hepper, Betriebsratsvorsitzender bei Burkhardt + Weber GmbH, stellt in seinem Unternehmen bislang keinerlei Auswirkungen der Krise fest. Es gebe keine Kurzarbeit, stattdessen nach wie vor Leiharbeiter sowie bezahlte Samstagsarbeit. "Ich empfinde es als ausgesprochene Provokation, wenn ausgerechnet die Geschäftsführer von Erbe GmbH und Burkhardt + Weber GmbH sich gemeinsam mit Herrn Ritzi und Herrn Wolf für den GEA ablichten lassen und sich für diese Verbandsforderung stark machen!"

Ernst Blinzinger ist der Meinung, Südwestmetall benutze die Krise lediglich als Vehikel, um Arbeitnehmerrechte abzuschaffen. Es gehe vielen Unternehmen keineswegs so schlecht, dass sie die Not zu solchen Überlegungen zwingt. "Wenn jetzt der Aufschlag beim Kurzarbeitergeld gestrichen werden soll, dann hat das politische Gründe", so der Gewerkschaftssekretär. "Dagegen werden wir uns mit aller Kraft zur Wehr setzen!"

Gegen weitere Beeinträchtigung der Binnenkonjunktur

Beim Automobil-Zulieferer ElringKlinger AG ist die Krise angekommen und ein Ende der Kurzarbeit nicht in Sicht. Dennoch oder gerade deshalb ist der Betriebsrat entschlossen, notfalls um den Bestand der Aufgeldregelung zu kämpfen. "Wer Wind sät, wird Sturm ernten", macht Betriebsratsvorsitzender Markus Siegers klar.

Auch Betriebsratsvorsitzender Daniel Müller der Robert Bosch GmbH spürt in seinem stark von der Automobilindustrie abhängigen Betrieb die Krise deutlich. Es gab bereits im letzten Jahr Schließtage und seit einer Weile auch Kurzarbeit. Aber Daniel Müller weiß: "Wenn man den Beschäftigten das Geld aus der Tasche zieht, verschärft man die Krise, weil der Binnenmarkt dann noch mehr in die Knie geht."

Das wissen die Arbeitgeber übrigens auch. Denn nach der Südwestmetall-Studie halten knapp 50 Prozent der Befragten die Marktentwicklung im Inland für besonders problematisch. Und nun will man dieser Erkenntnis zum Trotz der Krise dadurch begegnen, dass man die Beschäftigten ärmer macht?

Das werde die IG Metall nicht zulassen, sagt Dieter Keiper, zweiter Bevollmächtigter der Verwaltungsstelle Reutlingen-Tübingen. "Mit uns wird es keine Aushöhlung des Manteltarifvertrages geben!" Auch die übrigen Einfälle im Horrorkatalog der Kostensenkungsideen von Südwestmetall zu Lasten der betroffenen Kolleginnen und Kollegen werde man zu verhindern wissen. Die Kosten der Krise müssten diesmal auch die Arbeitgeber tragen, denn "es gibt für die Arbeitgeber kein Grundrecht auf eine "schwarze Null", schon gar nicht in der Krise!"

Letzte Änderung: 19.02.2009