Michael Sommer warnt vor Unruhen

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24.04.2009 Längeres Kurzarbeitergeld gegen soziale Unruhen?

Bundesarbeitsminister Olaf Scholz rechnet trotz der tiefgreifenden Wirtschaftskrise hierzulande nicht mit einer massiven sozialen Protest-Entwicklung wie in Frankreich. "Wir haben natürlich ganz andere Bedingungen - zu denen zählt schon, dass Deutschland ein funktionierender Sozialstaat ist, der auch Möglichkeiten schafft, mit schwierigen Situationen klarzukommen", sagte Scholz im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. So gebe es in Deutschland Kündigungsschutz, Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung.

"Wir müssen alles tun, um Massenentlassungen zu vermeiden", forderte Scholz. Ein Mittel sei beispielsweise, die Kurzarbeit nicht nur sechs Monate, sondern eineinhalb Jahre lang zu fördern: "Wir sind auch bereit, daran noch mal etwas zu verbessern, damit die Unternehmen es sich wirtschaftlich leisten können, die gesamte Konjunkturkrise durch, dieses Jahr und das nächste Jahr an ihren Beschäftigten festzuhalten und nicht zu entlassen." Dies rechne sich durchaus für die Unternehmen, da es wegen Abfindungen, Verhandlungen und eventuell späterer Neueinstellungen auch teuer sei zu entlassen.

Lafontaine zurückhaltend zu Sommers Warnungen

Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine sagte im Videochat mit tagesschau.de auf die Frage, ob er die Einschätzung des Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, zu drohenden Bürger-Unruhen teile: "Das ist zumindest offen." Sommer habe aber zu Recht darauf hingewiesen: "Wenn eine Million Menschen demnächst in einer schwierigeren Situation sind und dann den Eindruck haben, dass die Regierung nicht genügend tut, dann können sie zornig werden." Keiner wisse, wo das ende.

Lafontaine sagte weiter, es beschäftige seine Partei, weshalb dime Linkspartei in Umfragewerten nicht von der Wirtschaftskrise profitiere und statt dessen die FDP, deren Ideologie die Katastrophe mit verursacht habe. "Ich habe mit einer Veränderung des Meinungsbildes schon Ende März gerechnet - das ist noch nicht zu erkennen", so der ehemalige SPD-Chef.

Sommer warnt vor Unruhen

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, hatte zuvor angesichts der tiefen Rezession vor sozialen Unruhen wie in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gewarnt. Das prognostizierte Schrumpfen der Wirtschaft um "bis zu sechs Prozent" sei vergleichbar mit den Zahlen aus den Jahren der Wirtschaftskrise 1930, 1931 und 1932, sagte Sommer in der ARD-Sendung "Hart aber fair". Damals habe es die "bekannten Folgen" gegeben, sagte Sommer mit Hinweis auf das Erstarken der Nazis.

Möglicherweise würden sich Menschen auch jetzt von der Politik abwenden oder radikalisieren. Daher müssen "wir alles tun, um die Beschäftigung zu sichern". Im Unterschied zu Krisen der vergangenen Jahre erfasse die Rezession jetzt nicht mehr nur "Randbereiche der Gesellschaft, sondern auch die klassischen Kernbereiche der Arbeiter, Angestellten und den Mittelstand", warnte Sommer.

Schwan befürchtet "explosive Stimmung"

Auch die Präsidentschaftskandidatin der SPD, Gesine Schwan, warnte vor sozialen Unruhen als Folge der Wirtschaftskrise. "Ich kann mir vorstellen, dass in zwei bis drei Monaten die Wut der Menschen deutlich wachsen könnte", sagte Schwan dem "Münchner Merkur". Dann würden "abfedernde Maßnahmen" wie das Kurzarbeitergeld auslaufen. "Wenn sich dann kein Hoffnungsschimmer auftut, dass sich die Lage verbessert, dann kann die Stimmung explosiv werden", so Schwan.

Kritik vom DIHK-Präsidenten

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Hans Heinrich Driftmann, bezeichnete die Warnung Sommers dagegen als verantwortungslos. "Ich rate Herrn Sommer dringend, mit Begriffen wie 'sozialen Unruhen' nicht leichtfertig umzugehen", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Viele Menschen machten sich zwar Sorgen, die Unruhe im Land sei aber nicht so groß, wie es mancher bei den Gewerkschaften herbeirede, sagte er der "Passauer Neuen Presse".

tagesschau,24.04.2009

Letzte Änderung: 24.04.2009