Die NPD gehört verboten

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01.05.2009 Der Mai ist verkommen. Nicht, weil die Gewerkschaften auch an diesem Vorabend des Tags der Arbeit mit dem Rücken zur Wand stehen.

NPD: Verbieten - was denn sonst
Weder die Krise noch beste Arbeitnehmerreden können morgen darüber hinwegtäuschen, dass dem DGB die Menschen davonlaufen; seine Einzelgewerkschaften hatten vor zehn Jahren noch 8,3 Millionen Mitglieder, jetzt sind es noch 6,4 Millionen.

Doch die Existenzsorgen der Gewerkschaften werden überlagert durch Versuche der rechtsextremen NPD, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Die Neonazis können sich auf die Nazis berufen, denn wahr ist ja, dass Hitler und sein Propagandaminister Goebbels den 1. Mai als staatlichen Feiertag etabliert und den Tag der Arbeit zum völkischen Fest degeneriert haben. 2009 haben die Rechtsextremen, ihre rabiaten Jugendorganisationen und Kameradschaftskader vielerorts Demonstrationen angemeldet. In Süddeutschland ist Ulm/Neu-Ulm Schauplatz - und Stätte hohen Sicherheitsaufwands und großer Gegendemos.

In wenigen Wochen ist die von 87 Organisationen getragene Initiative "Ulm gegen Rechts " entstanden, so dass morgen wegen ein paar hundert Jungnazis ein paar tausend Demonstranten gegen Rechtsradikalismus auf die Straße gehen; alle beobachtet, begleitet, geleitet von 3000 Polizeibeamten und Sicherheitskräften. Dass sich ein von der politischen Linken bis zur Rechten tief durch die bürgerliche Mitte gehendes Bündnis gegen Neonazis formiert hat, mag beruhigen. Zeigt es doch, dass die Zeit einer öffentlichen Rhetorik des Abwiegelns und Kleinredens wie nach Hoyerswerda oder Mölln hinter uns liegt.

Ketzerisch betrachtet, muss man den rechtsradikalen Gewalttätern im Osten, von denen viele Kinder eines unverdauten Totalitarismus sind, dankbar sein, denn sie haben eine neue gesellschaftliche Wachsamkeit erzeugt. Doch entledigen solche Zeichen wehrhafter Demokratie die Politik nicht ihrer Aufgabe, dem Neonazismus in Deutschland jenen Boden der freiheitlichen Grundordnung zu entziehen, auf dem kein Nazi steht. Dies kann nur geschehen durch ein NPD-Verbot, das kommen muss, trotz des 2003 jammervoll gescheiterten Versuchs.

Wenn es um Freiheit geht, führen wir Deutsche absonderliche Debatten. Wer Kinderpornoseiten im Internet sperren will, bekommt zu hören, er rüttle an der Pressefreiheit; wer nach Winnenden und Eislingen scharfe Waffenkontrollen verlangt, wird auf die individuelle Verantwortlichkeit in einer freien Gesellschaft hingewiesen. Doch muss im Namen der Freiheit die Freiheit dort enden, wo sie gefährdet ist; also bei denen, die sie gefährden. Neonazis treten offen gegen die freiheitliche Ordnung ein. Außer verfassungsfeindlicher Einstellung haben sie nichts zu demonstrieren. Schon gar nicht in einem Land, von dem - nationalistisch bedingt - der größte aller denkbaren Zivilisationsbrüche ausging.

Der Verfassungsschutz schätzt die NPD gefährlicher ein als viele rechtspopulistische Bewegungen im übrigen Europa, etwa die BZÖ in Österreich, die Front National in Frankreich, die Lega Nord in Italien. Allen gleich ist ihr Agitationspopulismus: Sie stempeln Einwanderer und Ausländer zu Sündenböcken ab, schüren Phobien gegen den Islam. Über diese Muster und die in der Krise wachsende Kapitalismuskritik hinaus ist die NPD Sammelbecken des Rechtsradikalismus in Deutschland geworden; auch mit gewaltbereiten national-sozialistischen Milieus, am besten zu erkennen in erheblich brutalen Skinhead-Gruppen in Ostdeutschland. Die NPD deckt das ganze rechte Spektrum ab: das rechtspopulistische, das antibürgerlich-rechte, das rechtsradikale, rechtskriminelle.

Die NPD gehört verboten. Empörung und Demos am Tag der Arbeit allein genügen nicht gegen Rechtsradikale. HANS-ULI THIERER

südwest presse,30.04.2009

Letzte Änderung: 01.05.2009