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02.05.2009 Umverteilung war Hauptthema der Mai-Kundgebung im Krisen- und Wahljahr 2009

Es war ein 1. Mai, der ganz im Zeichen der Krise und des aktuellen Wahljahrs stand. Über 1000 Leute kamen zur Kundgebung auf den Marktplatz und hörten die Forderungen nach einer Umverteilung nach unten.

Die Blume der Arbeiter am Reutlinger Tag der Arbeit. Rote Nelken sind seit fast 120 Jahren die Blume des 1.Mai, der 1889 beim Sozialistenkongress in Paris zum Kampftag ernannt wurde. Da bei den ersten Mai-Kundgebungen 1890 keine Fahnen mitgeführt werden durften, wurde die Nelke im Knopfloch zum Erkennungszeichen.

Die Wirtschaftskrise bereitet den Menschen Sorgen und, wenn sich die Hoffnungen der Gewerkschaften erfüllen, vielleicht auch den Boden für eine neue Verteilungsdebatte. Zur Kundgebung auf dem Marktplatz kamen gestern jedenfalls mehr Zuhörer/innen als in den vergangen Jahren. Und auch über den Rest des sonnigen Tages strömten die Leute aufs Bürgerfest der Gewerkschaften, das Reutlingens DGB-Sekretär Rolf Zabka mit Blick auf den Naziaufmarsch in Ulm als ein "buntes" eröffnete. Zabka bedauerte, dass sich "Unzufriedenheit in Deutschland leider nicht nach links" wende und appellierte daran, die anstehenden Wahlen zu nutzen.

In Bezug auf aktuelle Umfragen und die Prognosen für die FDP rief er vom Rednerpult: "Nur die dümmsten Schweine wählen ihren Metzger selbst." Zum Protest gegen den "Casino-Kapitalismus" mobilisierte der DGB-Mann auch: Am 13. Mai in Reutlingen und am 16. Mai in Berlin gelte es, Flagge zu zeigen, sagte Zabka - und erinnerte sich an eine Parole aus den 70er-Jahren: "Wenn Wahlen etwas verändern würden, wären sie längst verboten."

Von einer "ganz tiefen Krise des Kapitalismus", die nicht wie nach der Weltwirtschafts-Depression 1929 in einem "Weltbrand" enden dürfe, sprach der Hauptredner der Reutlinger Kundgebung, Michael Schlecht. Nicht die "Gierigen in den Banken" allein hat der Verdi-Chefvolkswirt als Schuldige für die aktuellen Probleme ausgemacht, sondern auch die Politik, die "die Heuschrecken ins Land gelassen" habe.

"Die Regierung steht hin und behauptet, sie sei die Feuerwehr, aber sie ist der Brandstifter", sagte der Stuttgarter Gewerkschafter, der auch im Parteivorstand der Linken sitzt. Schlecht forderte eine "Versparkassung" der Privatbanken und ein Ende "der Enteignung von arbeitenden Menschen in diesem Lande". Die Umverteilung nach oben habe deutsche Arbneitnehmer in den vergangenen Jahren 1000 Milliarden Euro gekostet: "Wenn Sie heute Abend wieder zuhause sind, können sie sich ja mal klarmachen, wie viele Nullen das sind." Schlecht kümmerte sich am 1. Mai aber nicht nur um die Werktätigen, sondern auch um jene, die ohne Arbeit sind. "Die Politik der Agenda 2010 gehört auf den Misthaufen der Geschichte", rief Schlecht und stellte unter viel Beifall fest, dass die Hartz-IV-Gesetze "eine Schande für unser Land" sind. "Wir wollen, dass endlich wieder die Reichen zur Kasse gebeten werden", forderte er und appellierte seinerseits daran, solche Gesichtspunkte in der Wahlkabine nicht aus den Augen zu verlieren. Anschließend leiteten der Bosch-Betriebsratsvorsitzende Daniel Müller (unter anderem mit einigen Liedzeilen der deutschen Band Silbermond) und die IG-Metall-Jugend (mit einem von Charles Dickens inspirierten Sketch zur Azubi-Übernahme) ins "Fest der Kulturen" über, das im Verlauf des Tages viele Menschen anlockte.

südwest presse,02.05.2009

Letzte Änderung: 04.05.2009