OPEL: Groteske auf hohem Niveau

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29.05.2009 Absurdes Theater - so lässt sich das unendliche Drama um Opel am besten beschreiben.

Das gilt zum einen für die stundenlangen Verhandlungen über die Rettung des Autobauers im Kanzleramt. Da schickt die US-Regierung einen drittklassigen Beamten ohne Kompetenzen, und die Opel-Mutter General Motors (GM) fordert in letzter Minute noch mehrere hundert Millionen Euro zusätzlich. Poker auf höchstem Niveau. Beides ist, gelinde gesagt, eine Frechheit.

Zum anderen ist es grotesk, mit welchem Aufwand sich die Bundesregierung und die Politik um die Rettung eines einzigen Unternehmens kümmern. Seit Wochen scheint Opel die Hauptaufgabe des halben Kabinetts einschließlich der Bundeskanzlerin zu sein. Das steht in einem groben Missverhältnis zur Bedeutung des Unternehmens mit 25 000 Beschäftigten. Selbst einschließlich der Zulieferer sind das nur etwa so viele, wie Karstadt allein beschäftigt. Um das Überleben des Warenhauskonzerns kümmern sich nur Staatssekretäre.

Das ist das Grundübel: Es ist Opel und den Gewerkschaften gelungen, den Autobauer so hinzustellen, als dürfe er keinesfalls pleite gehen - aus ihrer Sicht zweifellos eine Leistung. Aber alle Fakten sprechen dagegen. Das deutsche Unternehmen mag ein Sonderfall sein, weil es seine US-Mutter in den Abgrund mitzureißen droht.

Aber eines ist Opel mit Sicherheit nicht: systemrelevant, also unverzichtbar für den Standort Deutschland. Die Insolvenz einer großen Bank würde dagegen das ganze Finanzwesen erschüttern. Selbst wenn Opel dagegen völlig von der Bildfläche verschwindet, müsste kein Bürger Angst haben, kein Auto mehr kaufen zu können. Es gibt genügend Konkurrenten, und die würden sich leichter tun. Bitter wäre es natürlich für die Mitarbeiter und die Lieferanten.

Opel ist kein Opfer der weltweiten Finanzkrise, sondern eines schlechten Managements. Seit Jahren geht der Marktanteil der GM-Tochter zurück. Welt- und europaweit hat die Automobilindustrie erhebliche Überkapazitäten, und durch den Produktivitätsforschritt steigen sie laufend weiter. Da die nötige Nachfrage fehlt, gibt es nur einen Ausweg: Arbeitsplatzabbau - wenn nicht bei Opel, dann bei anderen Herstellern, ob im Inland oder an anderen Standorten. Egal wo, die betroffenen Arbeitnehmer werden ihr Schicksal immer heftig beklagen und dagegen kämpfen.

Fatal wird es, wenn sich die Politik einmischt und damit andere als wirtschaftliche Überlegungen ins Spiel kommen. Genau das passiert in Wahlkampfzeiten wie diesen: Politiker missbrauchen das Thema, um sich als Retter der Arbeitsplätze zu profilieren. Spätestens damit wird die Diskussion irrational.

Denn keiner will in der Öffentlichkeit so dastehen, als tue er nicht alles für die Mitarbeiter. Genau das passiert derzeit: Die Spitzen von Union und SPD liefern sich ein Wettrennen um Opel. Sie haben sich gegenseitig so hochgeschaukelt, dass es keiner mehr wagen würde sich hinzustellen und zu sagen: Tut uns leid, wir können nicht helfen.

So ist zu befürchten, dass der Bund Opel mit vielen Milliarden unter die Arme greift. Dabei wird keiner sagen können, ob das die Arbeitsplätze wirklich langfristig sichert oder ob nicht letztlich nur viel Steuergeld verbrannt wird. Auf ein paar Milliarden mehr oder weniger scheint es ja in diesen Krisenzeiten nicht anzukommen.

sagen die gleichen Politiker dann, wenn andere Konzerne von Karstadt bis Porsche auf der Matte stehen? Da wird ein Fass aufgemacht, das kaum wieder zuzubekommen ist. Letztlich werden viel weniger Arbeitsplätze gerettet, als behauptet wird. Der Staat mag Firmen helfen, die nur aufgrund der Finanzkrise keine Kredite mehr bekommen. Sobald er aber mehr macht, überhebt er sich - mit teuren Folgen. DIETER KELLER

südwest presse,29.05.2009

Letzte Änderung: 29.05.2009