Metaller kriseln immer heftiger

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02.07.2009 Derzeit kämpft die Gewerkschaft um Jobs bei Still-Wagner, Rieber und Wafios

Tarifflucht, Strukturreformen, einbehaltene Sonderzahlungen und unbezahlte Mehrarbeit - die IG Metall kämpft derzeit an vielen Fronten. Gestern berichtete die Gewerkschaft von ihrer Arbeit bei Rieber, Still-Wagner und Wafios.
Reutlingen. "Ich habe mir den Sommer anders vorgestellt", sagte Reutlingens IG-Metall-Chef Gert Bauer, als er gestern über die Arbeitsbelastung seiner Verwaltungsstelle berichtete. Aktuell beschäftigen die Gewerkschafter vor allem drei Reutlinger Metall-Betriebe.

• Beim Mittelstädter Stapler-Hersteller Still-Wagner kämpfen Gewerkschaft und Belegschaft gegen die Verlagerung von 260 der 460 Arbeitsplätze (wir berichteten). Der Mutterkonzern Kion will die Produktion des Mittelstädter Umsatz- und Gewinnbringers, einem Elektrostapler namens FM, nach Hamburg verlegen. Von etwa 6500 Maschinen, die Still-Wagner 2008 verkaufte, waren 4300 aus der FM-Serie. Der am Fließband gefertigte Stapler ist Hauptgrund für die gute Umsatzrendite (über 16 Prozent), die in Mittelstadt zuletzt erarbeitet wurde. "Still-Wagner ist keinesfalls ein Sanierungsfall", sagte Bauer. Und der Betriebsratsvorsitzende Harald Mischke berichtete von einem Vertrag, den die Reutlinger Stadtverwaltung im April 2006 mit Still-Wagner geschlossen hatte. Als das Unternehmen damals in Schieflage geraten war, kaufte die Stadt ein drei Millionen Euro teures Firmengrundstück auf, ließ sich im Gegenzug aber eine Standortgarantie "für alle wesentlichen Bestandteile der Produktion" geben. Jetzt wird juristisch geprüft, was dieser Vertrag wert ist.

"Wir rechnen uns gute Chancen aus, damit etwas zu ändern", sagte Mischke, der, passend zur Stimmung im Betrieb, zwei Mal von seiner Handy-Klingelton-Melodie unterbrochen wurde: "Smoke on the water". Gert Bauer ist derweil zuversichtlich, dass die Stadt mit der Vereinbarung "einen Unterlassungsanspruch geltend machen kann". Bei Still-Wagner werde um jeden Arbeitsplatz gekämpft (siehe unten).

• Um Arbeitsplätze geht es auch bei Rieber. Beim Großküchen-Hersteller, der seit dem Jahr 2005 zur Ludwigsburger Firma Eisfink gehört, befürchtet man die Zerschlagung des Unternehmens. Geschäftsführer Max Maier will die Werke I und II (in der Hoffmannstraße in Betzingen und in Bronnweiler - beides Standorte, an denen tiefgezogen wird) in die Eisfink-Gesellschaft übernehmen. Gleichzeitig hat er seine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband Südwestmetall gekündigt.

Bei Rieber, wo sich die 570 Beschäftigten seit Jahren an der Sanierung des Unternehmens beteiligen, fürchtet man nun um Arbeitsplätze. Zumal auch schon Pläne zur Schließung des Werks in Bronnweiler die Runde machen und der aktuell bei Rieber gültige Sanierungstarifvertrag, der kostenlose Mehrarbeit von 3,5 Stunden in der Woche und Gehaltseinbußen von fünf Prozent beinhaltet, an die Tarifbindung des Unternehmens gekoppelt ist. Konkret heißt das: Zum 1. Januar würden die Lohnkosten erheblich steigen. "Wir werden uns darum bemühen, wieder Tarifbindung herzustellen", sagte Bauer. Zusammen mit der Rieber-Betriebsratsvorsitzenden Carmen Holler appelliert er an Geschäftsführer Maier: "Setzen Sie sich doch mit uns zusammen."

. Um einen Tisch mit der Gewerkschaft saß in den vergangenen Tagen die Geschäftsführung von Wafios. Beim Maschinenbauer, dem etwa 40 Prozent der Aufträge weggebrochen sind, wird seit März kräftig kurzgearbeitet. Weil die "Schere zwischen Umsatz und Kosten" aber weiter aufgegangen sei, vereinbarte das Management mit der IG Metall und dem Betriebsrat einen zumindest vorläufigen Verzicht auf das Urlaubsgeld und die Hälfte des Weihnachtsgelds. "Die Firma hat in der Vergangenheit solche Sachen immer wieder sauber zurückgezahlt", lobte Bauer gestern. Und er sagte: "Die Situation ist sehr, sehr ernst." Gemeinsam mit den Hausbanken bemüht sich Wafios derzeit um KfW-Mittel aus dem Konjunkturpaket.

Still-Wagner-Protest in Mittelstadt
Um gegen die geplanten Produktions-Verlagerungen zu protestieren, ruft die Still-Wagner-Belegschaft am Mittwoch, 8. Juli, zu einer Demo auf. Sie beginnt um 14.30 Uhr vor dem Werkstor. Von dort geht's auf den Mittelstädter Marktplatz, wo die Wagnerianer neben dem IG-Metall-Landeschef Jörg Hofmann auch OB Barbara Bosch und Landrat Thomas Reumann erwarten.

Text: Matthias Stelzer
südwest presse,01.02.2009

Letzte Änderung: 02.07.2009