"Es wird nicht leicht für uns"

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09.11.2009 Landesvorsitzende Leni Breymaier ehrt beim Verdi-Bezirk hohe Jubilare

Sie halten Jahrzehnte die Gewerkschaftsfahne hoch. Der Samstagabend gehörte deshalb den Verdi-Jubilaren samt warnender Worte mit Blick auf politische und soziale Missentwicklungen inklusive.

Für 60 Jahre Mitgliedschaft und Arbeit in der Gewerkschaft ehrten Leni Breymaier und Martin Gross (von rechts) die Jubilare Alois Beck, Erwin Eberle, Manfred Gobert, Karl Kehrer, Leopold Kempter, Rudolf Koch und Friedrich Schnitzer. Foto: jaz Rommelsbach Die Zeiten haben sich geändert. Denn seitdem etwa der Reutlinger Eduard Haas vor 80 Jahren in die Gewerkschaft eingetreten ist, hat die Menschheit nicht nur einen vernichtenden Weltkrieg sowie viele weitere Konflikte erlebt, es musste auch immer wieder und ohne Unterlass für die Rechte der Arbeitnehmer gekämpft werden.

Arbeitskämpfe und Tarifauseinandersetzungen haben deshalb alle der knapp 70 geehrten Verdi-Mitglieder erlebt. Doch am Samstagabend hieß es in der Rommelsbacher Turn- und Festhalle erst ein Mal ein wenig durchschnaufen und auf die vergangenen Jahrzehnte zurückblicken, um letztlich trotzdem nicht an den aktuellen Entwicklungen vorbeizukommen.

Denn: "Schwarz-Gelb lässt langsam die Katze aus dem Sack", sagte Verdi-Bezirksvorsitzender Jörg Wolff. Jedes Jahr gebe es neue Herausforderungen und die Arbeit höre nicht auf. "Werden doch in einer entmenschlichten Welt des Finanzkapitalismus schon wieder hohe Gewinne eingefahren."

Während Bezirks-Geschäftsführer Martin Gross jedoch die Erlebnisse einzelner Mitglieder hervorhob und Kritik an der SPD übte, die sich mit der Rente mit 67, der Agenda 2010 oder etwa Hartz IV einen Teil ihrer sozialdemokratischen Seele aus dem Leib gerissen habe, beschönigte auch die baden-württembergische Landesbezirksleiterin Leni Breymaier nichts. Auch wenn sie zunächst meinte, dass alle zusammengekommen seien, um Dank zu sagen und den Geehrten Respekt zu zollen. "Mit Eurer Treue habt Ihr dafür gesorgt, dass den Menschen im Arbeitsleben nicht nur das Fell über die Ohren gezogen wurde."

Dabei stehen gerade die Mitglieder für die Gewerkschaft, so Breymaier weiter. Sie haben in vielen Funktionen gestritten und gerungen und Verdi vorangebracht. Und da sei es nicht nur um Lohnprozente, sondern um die Verbesserung von Arbeits- und Lebensbedingungen gegangen.

Das einzig Positive, das sie dem Wahlergebnis vom 27. September entnehmen konnte, war, dass die Schwarz-Gelbe-Koalition aller Voraussicht nach nicht an der Tarifautonomie rütteln möchte. Auch wenn die FDP in vergangenen Regierungsbündnissen immer versucht habe, auf sie "Dreck zu schmeißen". Was die Bürger jetzt allerdings erleben, sei eine Unterhöhlung der Autonomie, um die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften und der Arbeitnehmer zu schwächen. Deshalb bekräftigte Breymaier:

"Es liegt an uns, alles in die richtige Richtung zu bringen." Und "ich mache mir keine Illusionen, dass es mit dieser Regierung leicht wird", ergänzte die Gewerkschafterin. Zudem rechnete sie auch mit der SPD ab, die doch ein Glaubwürdigkeitsproblem habe. Und da könnten die Leute doch gleich das Original wählen, das CDU und FDP heiße.

In den Plänen und der vermeintlich guten Nachricht aus den ersten Tagen der neuen Regierung über eine Rente mit 60 sieht sie hingegen "nichts anderes als ein Rentenkürzungsprogramm". Wobei angesichts der Abschläge "kaum jemand mehr schnaufen kann". Weil aus ihrer Sicht die Annahmen zur demografischen Entwicklung jedoch ins Reich der Mythen, Märchen und Legenden gehören, prangerte die Landesbezirksleiterin an, dass das Rentensystem den Privatversicherern zugeführt werden soll.

Ihr Aufruf: "Lasst es uns nicht kaputtmachen." Sonst würden hier bald Verhältnisse wie in den USA oder Großbritannien herrschen - und das auch im Gesundheitswesen. Wobei bereits jetzt mit dem FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler "der Fuchs zum Hüter des Hühnerstalls" gemacht worden sei.

südwest presse,09.11.2009

Letzte Änderung: 09.11.2009