Daimler-Mitarbeiter in Sorge

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01.12.2009 Verlagerung der C-Klasse würde zigtausend Stellen gefährden

Begleitet von Protesten im größten Mercedes-Werk in Sindelfingen entscheidet der Daimler-Vorstand heute darüber, ob die C-Klasse künftig billiger in den USA montiert wird. Mindestens 3000 Jobs sind in Gefahr.

Mitarbeiter des Autokonzerns Daimler fertigen im Werk Sindelfingen Fahrzeuge der C-Klasse. Weil der Konzernvorstand über eine Verlagerung der Fertigung in die USA nachdenkt, befürchtet man im Werk Sindelfingen einen Stellenabbau. Foto: dpa Sindelfingen Die einst so stolzen Autobauer in Sindelfingen sind mal wieder in Sorge. Rund 10 000 Daimler-Arbeiter stoppten gestern früh ihre Fließbänder und protestierten gegen eine mögliche Produktionsverlagerung. Vielleicht schon heute, spätestens aber bis Ende Januar will Vorstandschef Dieter Zetsche erklären, ob das Nachfolgemodell der C-Klasse statt in Sindelfingen in der US-Fabrik im Südstaat Alabama produziert wird.

Derzeit kommt die C-Klasse vor allem aus Sindelfingen. Ein knappes Viertel der rund 20 000 Montage-Arbeiter baut hier täglich bis zu 660 Modelle, ein Drittel der gesamten Produktion im größten Mercedes-Werk weltweit. Würde die C-Klasse nach dem nächsten Modellwechsel von 2014 an im Wesentlichen aus Tuscaloosa kommen, könnte Daimler ordentlich sparen: Experten zufolge 400 Mio. EUR im Jahr.

Das hat viele Gründe: In den USA ist die Arbeitsstunde mit 35 EUR deutlich billiger als in Schwaben mit 45 bis 50 EUR. Zudem rückt Daimler näher an einen wichtigen Markt, denn ein Drittel der Mercedes-Verkäufe in den USA macht die C-Klasse aus, das sind rund 70 000 Fahrzeuge pro Jahr. Schließlich fällt das Währungsrisiko angesichts des schwachen Dollars ebenso weg wie die Transportkosten. In Tuscaloosa werden derzeit nur Geländewagen der M-Klasse sowie die R-Modelle gebaut, das großdimensionierte Werk gilt als nicht ausgelastet.

Allerdings hat Mercedes weltweit 440 000 Fahrzeuge des C-Modells verkauft - der US-Markt trägt also nur ein Sechstel, der Rest müsste dann eben nicht von Europa aus, sondern von Alabama verschifft werden. Bloß nicht nach Deutschland: Zetsche hat solche Re-Importe bereits ausgeschlossen, wohl auch basierend auf der Erfahrung mit dem Anlauf der US-Produktion.

Seit 1996 läuft dort der kleine Geländewagen der M-Klasse vom Band, anfangs in einer Qualität, die europäischen Kunden nicht zugemutet werden sollte. Der deutsche Markt würde denn auch weiter aus Deutschland versorgt: In Bremen baut Daimler derzeit ebenfalls C-Modelle. Weitere Montageorte mit geringen Stückzahlen liegen in China und Südafrika.

Für die Arbeiter würde die Verlagerung dramatische Einschnitte nach sich ziehen. Bis zu 3000 Arbeitsplätze, so die Metallgewerkschaft, wären unmittelbar betroffen, auch wenn ein Teil der Sportwagenfertigung aus Bremen nach Sindelfingen verlagert würde. Weil in Sindelfingen aber zusätzliche Rationalisierungsmaßnahmen laufen, könnten mittelfristig bis zu 6000 Jobs entfallen. Nach Einschätzung des Betriebsrats ginge dies nicht mehr sozialverträglich, sondern nur noch mit Massenentlassungen.

Dabei sind die Sindelfinger Kummer gewohnt. Ergun Lümali, Vize-Betriebsratschef im Werk, erinnerte an die Kooperationsbereitschaft, die die Arbeiter immer wieder gezeigt hätten, als es 1996 und 2004 schon einmal galt, die C-Klasse zu halten. Nun aber sei Schluss. Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm appellierte an den Vorstand, dafür zu sorgen, "dass es auch für unsere Kinder noch genügend Arbeit gibt."

Die Werke Sindelfingen und Tuscaloosa im Vergleich

Das Werk in Sindelfingen (Kreis Böblingen) ist das größte deutsche Pkw-Werk von Daimler. In der Produktion arbeiten über 28 000 Menschen. An dem Standort rollen die S-, E-, C-, CL- und CLS-Klasse sowie die Luxuslimousine Maybach vom Band. Im Jahr 2008 wurden insgesamt 398 646 Autos gebaut.

Das Werk in Tuscaloosa (US-Bundesstaat Alabama) ist der Hauptstandort für die Fertigung der SUV, der geländegängigen Fahrzeuge. Die M-, GL- und R-Klasse werden nur dort gefertigt. 2008 rollten insgesamt 152 561 Fahrzeuge vom Band. Ende 2008 arbeiteten 3782 Menschen in dem US-Werk. dpa

südwest presse,01.12.2009

Letzte Änderung: 01.12.2009