Schlecker in der Defensive

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12.01.2010 Politiker aller Parteien werfen Fragen nach Niedriglöhnen auf

Die Auseinandersetzung zwischen Europas größtem Drogeriemarkt-Unternehmen Schlecker und der Gewerkschaft Verdi hallt jetzt auch in der Politik wider. Es geht um das Thema Zeitarbeit.

Berlin/Ehingen Die wegen des vermehrten Einsatzes von Leiharbeitskräften in die Kritik geratene Drogeriekette Schlecker will neue Zeitarbeitsverträge mit der Firma Meniar nicht mehr abschließen. Das kündigte Schlecker gestern auf Anfrage der SÜDWEST PRESSE an: Man könne die öffentliche Diskussion zu diesem Thema "nicht nachvollziehen" und wolle sie mit dieser Entscheidung beenden.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte sich zuvor alarmiert gezeigt und eine Überprüfung angekündigt. Die SPD forderte die Regierung gestern auf, "den offenkundigen Missbrauch von Leiharbeit zu unterbinden".

"Mein Ministerium wird die Vorgänge bei Schlecker sehr genau prüfen", sagte von der Leyen. Es gehe darum, "ob Gesetze verletzt oder umgangen worden sind" und ob im bestehenden Gesetzesrahmen "Schlupflöcher und Lücken sind, die Zustände in der Leiharbeit zulassen, die nicht im Sinne des Gesetzgebers sind. Dann müssen wir das Gesetz ergänzen." Ihr sei wichtig, "dass das gute Modell der Zeitarbeit nicht in Misskredit gerät".

Schlecker hatte bereits vor Wochen betont, die Arbeitsbedingungen bei Meniar bewegten sich im Rahmen des allgemein Üblichen und es würden Stundenlöhne von bis zu 13 EUR und mehr bezahlt. "Von Niedriglöhnen oder gar Lohndumping kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein", ließ der Marktführer damals verlauten.

Die Gewerkschaft Verdi wirft Schlecker vor, festangestellte Mitarbeiter beim Wechsel in die neuen XL-Märkte in neue Verträge mit deutlich schlechteren Arbeits- und Einkommensbedingungen zu zwingen. Dies erfolge über die Zeitarbeitsfirma Meniar ("Menschen in Arbeit") in Zwickau, die einen Stundenlohn von nur 6,78 EUR zahle, sagte der Verdi-Unternehmensbetreuer Achim Neumann. Im Bundesdurchschnitt liege der Tariflohn einer Verkäuferin hingegen bei 12,70 EUR.

"Wir sind davon überzeugt, dass die Zeitarbeitsfirma konzernintern gegründet wurde, um Tarifverträge zu unterlaufen." Die Löhne seien sittenwidrig. Zudem wolle sich Schlecker einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Über die Zahl der von Meniar vermittelten Mitarbeiter gibt es weder von Verdi, noch vom Unternehmen belastbare Zahlen. Verdi sprach früher von rund 4000 von Meniar vermittelten Mitarbeitern. In ganz Deutschland beschäftigt Schlecker rund 35 000 Mitarbeiter.

Schlecker konterte, die Gewerkschaft habe bereits in der Vergangenheit "gezielte Desinformations- und Diffamierungskampagnen" betrieben. Es sei befremdlich, dass nun auch Politiker, deren Parteien die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse gefordert und gesetzlich gefördert haben, sich dem anschlössen. Meniar sei ein konzernunabhängiger Personaldienstleister. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) sieht keine Möglichkeiten zum Eingreifen: "Schlecker hat offenbar Stammbelegschaft entlassen, um sie dann in einer eigens gegründeten Zeitarbeitsfirma zu niedrigeren Löhnen wieder einzustellen", sagte eine Sprecherin. "Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verbietet so etwas nicht. Hier sind politische Entscheidungen nötig."

Auch Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl Josef Laumann (CDU) wirft Schlecker systematische Lohnflucht vor, die das "soziale Gefüge in Schieflage bringt". Zeitarbeit sei dazu da, betriebliche Auftragsspitzen abzufangen oder im Falle von Urlaub und Krankheit Vertretungen bereitzustellen. Sie dürfe nicht dazu missbraucht werden, "um mit ihrer Hilfe Stammbelegschaften zu ersetzen". Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich in einem Brief an den Firmenchef Anton Schlecker besorgt.

SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil warf der Union vor, sie habe bislang einen Mindestlohn für die Zeitarbeit verhindert. Damit habe sie dem jetzt beklagten Missbrauch Vorschub geleistet. Der Arbeitsmarktexperte der FDP, Heinrich Kolb, kündigte Schritte gegen Missbrauch der Zeitarbeit an: "So, wie das bei Schlecker läuft, darf das nicht sein."

südwest presse,12.01.2010

Letzte Änderung: 12.01.2010