Neue Wege im Tarifritual

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21.01.2010 IG Metall verzichtet auf Entgeltforderung und setzt ganz auf Arbeitsplätze

Die IG Metall verzichtet in den Tarifverhandlungen auf eine konkrete Lohnforderung. Die Sicherung von Arbeitsplätzen soll dieses Mal absoluten Vorrang haben. Wie aber könnte sie aussehen?

Vielen Metallbetrieben droht angesichts der schleppenden Konjunktur, die Luft auszugehen. Die IG Metall will darauf in der Tarifrunde reagieren. Foto: Getty Images Stuttgart Die Tarifrunde 2010 in der Metall- und Elektroindustrie hat gestern im wichtigen Bezirk Baden-Württemberg mit moderaten Tönen begonnen. Jörg Hofmann, Chef der IG Metall im Südwesten, will mit den Arbeitgebern fortsetzen, was beiden im vergangenen Jahr erstaunlich gut gelungen ist: Beschäftigungssicherung trotz eines historisch einmaligen Einbruchs, von dem die Metallbranche insgesamt und in Baden-Württemberg noch verschärft betroffen ist.

Aus diesem Grund geht auch die IG Metall-Zentrale in Frankfurt ganz neue Wege und verzichtet auf eine konkrete Lohnforderung. Das soll nicht bedeuten, dass die Beschäftigten in Deutschlands größter Industrie-Sparte, leer ausgehen sollen. Auch wenn Martin Kannegiesser, Chef des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, "keinen Verteilungsspielraum", also kaum Möglichkeiten für Lohnerhöhungen sieht.

In der grundsätzlichen Zielrichtung der Beschäftigungssicherung sind sich beide Tarifparteien einig. Wie das aber in einen konkret ausformulierten und für beide Seiten verbindlichen Vertrag umgesetzt werden kann, ist die große Frage. Jedenfalls scheint die gewerkschaftliche Basis hinter der neuen Stoßrichtung der Funktionäre zu stehen. "In den Belegschaften gibt es eine große Übereinstimmung zum Verzicht auf eine Entgeltforderung", sagt Hofmann.

Über die Chancen einer schnellen Einigung mit Südwestmetall will er keine Prognosen abgeben. Dabei sitzen die Vertragsparteien schon seit einem Monat inoffiziell zusammen: In so genannten Sondierungsgesprächen mit Unternehmen versucht man bereits die Eckpunkte dessen zu fixieren, was Beschäftigungssicherung bedeuten kann.

Eine Einigung darüber ist für den baden-württembergischen IG Metall-Chef Voraussetzung dafür, beim Entgelt den Arbeitgeber-Vorstellungen entgegenzukommen. Hofmann. Die Gewerkschaft möchte deshalb vorzeitig in Tarifverhandlungen eintreten. Hofmanns Begründung: Ende April läuft der aktuelle Tarifvertrag aus, Ende März müsste er gekündigt werden; bis ein neuer ausgehandelt ist, kann es Sommer werden. Die Personalentscheidungen werden von den Unternehmen aber lange vorher getroffen. "Dann ist die Katz schon den Baum nuff", sagt Hofmann in schönstem Schwäbisch.

Der aktuelle Tarifvertrag stammt vom November 2008 und beinhaltete eine Lohnsteigerung in zwei Schritten um 4,2 Prozent. "Wir haben damals das Heu gerade noch in die Scheune gebracht", sagt der Gewerkschaftschef - Wochen später erreichte die Finanzkrise mit Macht auch die Unternehmen.

Inzwischen sieht die IG Metall den Tiefpunkt erreicht, sie rechnet aber nur mit einem Aufstieg "in kleinen Schritten". Drei Risiken sieht Hofmann in seiner Branche: das Auslaufen der Abwrackprämie in Deutschland und im Ausland; einen noch stärkeren Euro, der Exporte in den Dollarraum erschwert; eine Kreditklemme für die Unternehmen.

südwesst presse,21.01.2010

Letzte Änderung: 21.01.2010