10 000 Menschen protestieren

Vorschaubild

05.02.2010 In ganz Baden-Württemberg gehen städtische Bedienstete für mehr Geld auf die Straße

Busse im Depot, Kindergärten geschlossen, Notversorgung in Kliniken: 10 000 Beschäftigte beteiligten sich im Südwesten am Warnstreik im öffentlichen Dienst, zu dem die Gewerkschaft Verdi aufgerufen hatte.

Mitarbeiterinnen im öffentlichen Dienst demonstrierten gestern auf dem Schloßplatz in Stuttgart für mehr Lohn und Gehalt. Foto: dpa Stuttgart Zentrum der Proteste von Mitarbeitern städtischer Betriebe und Verwaltungen war gestern die Landeshauptstadt: In Stuttgart protestierten bei einer Kundgebung mehr als 4000 Menschen gegen die "Klientelpolitik" der CDU/FDP-Bundesregierung, die nicht zulasten des öffentlichen Dienstes gehen dürfe.

Der Ausstand von Bus- und Stadtbahnfahrern traf schätzungsweise 300 000 Menschen. Auf der B 10 und der B 27 staute sich der Verkehr am Morgen kilometerweit. In den nicht bestreikten S-Bahnen herrschte drangvolle Enge. Taxifahrer konnten sich dagegen über mehr Arbeit als sonst freuen. 95 der 180 Stuttgarter Kindergärten und alle Hallenbäder waren geschlossen. Im Klinikum waren die Mitarbeiter nur in Notdienstbesetzung tätig; dort protestierten mehrere hundert Krankenschwestern und Ärzte für bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen.

Zur Kundgebung nach Stuttgart kamen auch Verdi-Mitglieder aus dem Kreis Ludwigsburg. Die Streikbeteiligung im Landkreis sei deutlich höher gewesen als erwartet, teilte die Gewerkschaft mit. Betroffen waren Kindergärten, Verwaltungen und Bauhöfe. Die Auswirkungen hielten sich aber in Grenzen. Lücken wurden oft mit Aushilfen geschlossen. Am Klinikum Ludwigsburg-Bietigheim folgten einzelne Mitarbeiter dem Streik-Aufruf. Die Versorgung sei dadurch jedoch nicht beeinträchtigt worden. Es habe "überhaupt keine Auswirkungen" gegeben, so ein Sprecher.

In Reutlingen ist gestern die Müllabfuhr nicht komplett abgefahren worden, Papier und Biomüll blieben liegen. Einige Kitas blieben zu, aber die Eltern wussten Bescheid. Einige Rathausmitarbeiter waren im Warnstreik, aber für die Bevölkerung war stets ein Ansprechpartner da.

Dem Aufruf zum Warnstreik sind in der Ermstalklinik Bad Urach (Kreis Reutlingen) 90 Schüler der den Kreiskliniken Reutlingen angehängten Schule für Pflegeberufe gefolgt. Sie forderten vor dem Krankenhaus unter anderem eine Anhebung des Zuschlags für Nachtarbeit sowie ein Aufstocken des Ausbildungsgeldes um 100 Euro.

In Ulm fuhren am Vormittag die Straßenbahnen und Busse der Stadtwerke nicht. Die Räumdienste waren nach Verdi-Angaben zwar von 3 Uhr früh an auf den Straßen, stellten aber um 7 Uhr die Arbeit wieder ein. Halbtags streikten auch zwei Drittel der Kindertagesstätten, die Müllabfuhr leerte erst nach der Kundgebung auf dem Münsterplatz mittags die Tonnen. Fast 500 Streikende kamen zu der Protestversammlung.

Der Personalratsvorsitzende der Stadt, Hermann Zanker, kritisierte auf der Kundgebung den Ulmer Finanzbürgermeister Gunter Czisch für seine Äußerungen. Czisch hatte gesagt, bei weiter steigenden Personalkosten befürchte er einen Stellenabbau. Dies sei "skandalös". Im Haushaltsplan der Stadt für 2010 sei immerhin bereits eine Tarifsteigerung von 1,5 Prozent eingerechnet.

In Schwäbisch Gmünd gingen etwas 90 bis 100 Beschäftigte von Stadtverwaltung und Stadtwerken auf die Straße. Der stellvertretende Bezirksgeschäftsführer der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Werner Borowski, kritisierte bei der Kundgebung scharf, dass die kommunalen Arbeitgeber bisher keinerlei Erhöhung angeboten haben, "das hat mit fairen Verhandlungen nichts zu tun". Der Ausstand dauerte eine Stunde. Ein Teil der Beschäftigten musste nach Angaben der Stadtverwaltung aber früher zurück an die Arbeit: Wegen überfrierender Nässe mussten die Streufahrzeuge des Baubetriebsamtes ausrücken.

In Heidenheim haben mehr als 200 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes den Aufruf zum Warnstreik befolgt. Schauplätze der im Durchschnitt zweistündigen Arbeitsniederlegungen waren verschiedene Dienststellen der Stadtverwaltung samt der städtischen Betriebe, das Landratsamt, die Agentur für Arbeit sowie das Job-Center, die Stadtwerke und die Kreissparkasse, das Klinikum und die Lebenshilfe. Zur Mittagszeit beteiligten sich die meisten der Warnstreikenden an einer zentralen Kundgebung in der Stadtmitte Heidenheims.

Zur überregionalen Protestdemonstration mit Kundgebung in Heilbronn kamen schätzungsweise 1200 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes aus der Region, erwartet hatte die Gewerkschaft nur 600. Die große Resonanz wertete Verdi-Geschäftsführerin Marianne Kugler-Wendt als deutliches Signal an die kommunalen Arbeitgeber: "Unsere Geduld ist zu Ende, wir wollen mehr Geld."

Der Zollernalbkreis blieb dagegen gestern streikfrei. Nach Auskunft des Verdi-Geschäftsführers Fils-Neckar-Alb, Martin Groß, lag das einerseits "an der hier generell vergleichsweise schwierigen Mobilisierung der Verdi-Mitglieder", andererseits aber auch daran, dass man für die Großkundgebung in der Landeshauptstadt gezielt im Großraum Stuttgart mobilisieren wollte.

südwest presse,05.02.2010

Letzte Änderung: 05.02.2010