Hartz IV wird neu berechnet

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10.02.2010 Bundesverfassungsgericht: Bedarfsermittlung verstößt gegen Grundgesetz

Die Bundesregierung muss die Regelsätze für rund 6,8 Millionen Hartz-IV-Bezieher neu berechnen und eventuell höhere Sozialausgaben einplanen. Es ist aber nicht sicher, dass die Leistungen erhöht werden.

Die Dortmunder Kläger-Familie Kerber-Schiel (am vergangenen Freitag) kann auf höhere Hartz-IV-Sätze hoffen. Foto: dpa Karlsruhe Paukenschlag aus Karlsruhe: Weil die bisherige Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen das Grundgesetz verstößt, müssen die Bezüge der rund 6,8 Millionen Hilfeempfänger neu berechnet werden.

In ihrem Urteil ließen die Karlsruher Richter aber offen, ob die Bezüge der Langzeitarbeitslosen und ihrer Familien angehoben werden oder nicht. Kinder können aber wohl mit einer stärkeren Unterstützung für den Schulbedarf rechnen.

Überraschend erklärte der Erste Senat nicht nur die Berechnung der Sätze bei Kindern und Jugendlichen für verfassungswidrig, sondern auch die der Erwachsenen. Sie widerspreche der Pflicht zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Das Gericht ließ dem Gesetzgeber bis zum Jahresende Zeit für eine Neuregelung.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen setzte eine Expertengruppe ein, die Konsequenzen aus dem Urteil prüfen soll. Die CDU-Politikerin stellte höhere Leistungen für die Bildung von Hartz IV betroffener Kinder in Aussicht. Statt Geld- seien aber auch Sachleistungen wie Schulranzen oder Füller denkbar. Die Bundesagentur für Arbeit betonte, dass die Leistungen ab Januar 2011 automatisch angepasst werden, wenn sie der Gesetzgeber neu festlegt. Ein neuer Antrag sei nicht erforderlich.

Das vermutlich letzte große Urteil, das der scheidende Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier verkündete, billigt dem Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum für die Festlegung des Existenzminimums zu. Die geltenden Sätze seien nicht offenkundig zu niedrig zur Sicherung des Existenzminimums. Der Gesetzgeber sei aber verpflichtet, alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf zu bemessen - mit verlässlichen Zahlen und schlüssigen Berechnungsverfahren.

So sei die pauschale Kürzung der Sätze für Kinder um bis zu 40 Prozent gegenüber den Erwachsenen verfassungswidrig. Die Ermittlung eines spezifischen Bedarfs für Kinder und Jugendliche sei unterlassen worden. Insbesondere seien Aufwendungen für Schulbücher, Hefte, Taschenrechner nicht berücksichtigt worden, die jedoch zum existenziellen Bedarf des Kindes gehörten.

Sozialverbände, DGB und Linke forderten eine schnelle Anhebung der Sätze. Unionsfraktionschef Volker Kauder nannte eine Erhöhung dagegen offen und schloss im Einzelfall auch niedrigere Hartz-IV-Sätze nicht aus.

Die baden-württembergische Sozialministerin Monika Stolz erinnerte an die Forderung der Länder nach einer Neubemessung der Regelleistungen für Kinder. Dabei müssten die besonderen Bedürfnisse der Kinder etwa für Bildung und Schule abgedeckt werden. In der Pflicht sei die Bundesregierung. Die Länder seien zur konkreten Mitarbeit bereit (AZ: Bundesverfassungsgericht 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09). dpa/apn/dik

südwest presse,10.02.2010

Letzte Änderung: 10.02.2010