Kein Zutritt für Gewerkschafter

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05.03.2010 Kirchliche Klinik siegt erneut gegen Verdi - Verfassungsbeschwerde wird angestrebt

Verdi hat keinen Zutritt in einer kirchlichen Klinik. Nach einer Niederlage vor dem Arbeitsgericht strebt sie eine Verfassungsbeschwerde an.
HANS GEORG FRANK

Diakonie-Krankenhaus in Schwäbisch Hall: "Es gibt keine soziale Härte in unseren Einrichtungen." Foto: Hans Kumpf Schwäbisch Hall Gewerkschaftssekretär Anton-Eugen Schmid versucht seit fast drei Jahren, einen Fuß in die Tür des Diakonie-Krankenhauses (Diak) zu bekommen. Zunächst sei er vertröstet worden, erinnert er sich, dann sei der Bedarf des Besuchs eines Verdi-Mannes in Frage gestellt worden. Letztlich wurde dem Funktionär nicht erlaubt, ein "schwarzes Brett" zur Information der rund 100 Mitglieder anzubringen. Die Gewerkschaft sieht darin einen Verstoß gegen den Artikel 9 des Grundgesetzes, der die Vereinigungsfreiheit "zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" garantiert. Eine Einschränkung, heißt es da, sei "rechtswidrig".

Das Krankenhaus als kirchliche Einrichtung beruft sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht in Artikel 140 und mag deshalb keine Gewerkschafter im Haus dulden. Differenzen würden "mit eigenen Regelungen ausgeglichen", begründete Diak-Anwalt Bernd Dollmann das Hausverbot für Verdi.

Mit den unterschiedlichen Positionen hat sich das Arbeitsgericht Heilbronn jetzt zum zweiten Mal befasst. Als im März 2009 bereits ein Urteil gegen Verdi gefällt wurde, hatte die Gewerkschaft den Falschen verklagt. Nicht dem Evangelischen Diakoniewerk gehört das Krankenhaus, sondern der Diakonie-Kliniken gGmbH, die ebenfalls Funktionären den Zutritt verwehrt.

"Die Kirche muss die Grundrechte respektieren", verlangte Verdi-Anwalt Jürgen Kühling, der von 1989 bis 2001 Richter am Bundesverfassungsgericht war. "Die Koalitionsfreiheit ist ein wichtiges Grundrecht und stärker als die kirchliche Selbstbestimmung", erklärte er. Diak-Anwalt Bernd Dollmann steht auf dem gegenteiligen Standpunkt. Seiner Ansicht nach geht es Verdi nur darum, im kirchlichen Bereich neue Mitglieder zu gewinnen, um die Verluste kompensieren zu können.

Arbeitsrichter Ralf Büschler lehnte die Verdi-Klage unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesverfassungsgericht von 1981 gegen den Zugang von Gewerkschaftern ab. An der "Bindungswirkung" dieser Entscheidung habe sich nichts geändert. Es sei der Kirche ohnedies nicht zuzumuten, dass Betriebsfremde "eindringen", Verdi könne auch auf andere Art Mitglieder werben, etwa durch Mund-zu-Mund-Propaganda oder durch das Verteilen von Flugblättern, "ohne dass der Arbeitgeber dies mitbekommt".

Verdi wird gegen das Urteil in Berufung gehen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wird an eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht und an eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gedacht.

Das Diak in Schwäbisch Hall ging aus der 1886 gegründeten Diakonissenanstalt hervor. Heute handelt es sich um ein "Haus der Zentralversorgung" mit 574 Planbetten in 16 Fachabteilungen. Jährlich werden dort 20 000 Patienten stationär und 30 000 ambulant behandelt. Das Diakoniewerk ist mit rund 2470 Beschäftigten der zweitgrößte Arbeitgeber im Kreis Schwäbisch Hall. "Es gibt keine soziale Härte in unseren Einrichtungen", sagte Anwalt Dollmann.

südwest presse,05.03.2010

Letzte Änderung: 05.03.2010