POLITISCHES BUCH: Jetzt wird abgerechnet

Vorschaubild

14.04.2010 In ihrem Buch "Himmelsreise" rechnet Necla Kelek mit islamischen Lebensregeln ab: "Muslime aller Welt, ihr habt nichts zu verlieren außer der Scharia."

Berlin "Himmelsreise" ist der Versuch, in Buchform einen Pudding an die Wand zu nageln. Auf 250 Seiten beschreibt die Soziologin Necla Kelek die durchdringende Macht der Religion Mohammeds als Glaube, in Alltag und in der Politik. So heißt es im Untertitel auch: "Mein Streit mit den Wächtern des Islam."

Der Islam, so Kelek, müsse sich ohne Wenn und Aber dem Rechtsstaat verschreiben. Es sei von entscheidender Bedeutung für die Zukunft Europas, dass Muslime von der Idee einer säkulären und demokratischen Bürgergesellschaft überzeugt werden, in der die Freiheit attraktiver erscheint als die kollektiven Zwänge einer religiösen Weltanschauung.Zwar gelte der Koran für gläubige Muslime als unfehlbares Wort Gottes. Doch all die Regeln, die Sexualmoral und die untergeordnete Rolle der Frau seien nicht gottgewollt, sondern vor dem Hintergrund einer feudalen Wüstengesellschaft entstanden. In "Himmelsreise" plädiert Kelek deshalb dafür, dass sich die Schriften des Islam wie die Bibel einer theologischen und historischen Interpretation unterziehen sollen.

Übertriebene Ehrgefühle, die ständige Einforderung von "Respekt", die Rolle von Vater und Mutter und die Beschneidung - sie seien alle letztlich in einer Religion begründet, die die Trennung von Weltlichem und Geistlichem nicht kennt und als "kollektive Selbstvergewisserung" der aufgeklärten Gesellschaft die kalte Schulter zeigt.

Für ihr Buch hat Kelek Moscheen in Deutschland besucht. Sie schildert ihre Erfahrungen mit Vorbetern und Kommunalpolitikern, die sich eher hilflos den Herausforderungen der multikulturellen Gesellschaft stellen, und berichtet aus ihren Erlebnissen als Kind einer türkischen Emigrantenfamilie. Deutschland, so Kelek, stehe in einer langen Tradition des unkritischen Islamverstehens - von Karl dem Großen über Lessing und Goethe, dem Kaiserreich bis zum "Teufelspakt" zwischen den Nazis und dem Großmufti von Jerusalem. Zum wohl informativsten Teil des Buches gehört die Darstellung der islamischen Organisationen in Deutschland und die Bemühungen der türkischen Regierung, ihre Landesleute nicht den Islamisten zu überlassen.

Kelek wurde 1957 in Istanbul geboren, ist in Deutschland aufgewachsen, hat Volkswirtschaft und Soziologie studiert und promovierte über den Islam im Alltag. Für ihr Engagement wurde sie mehrfach ausgezeichnet.

Necla Kelek: "Himmelsreise. Mein Streit mit den Wächtern des Islam." Kiepenheuer & Witsch, 266 S., 18,95 Euro.
südwest presse,14.04.2010

Letzte Änderung: 14.04.2010