Bosch schult gezielt Ältere

Vorschaubild

27.04.2010 Studie der Universität Heidelberg: Leistungsfähigkeit kann erhalten werden

Ältere Menschen sollen zwar immer länger arbeiten, aber so richtig traut man nur der Jugend etwas zu. Dabei verfügen Ältere über erstaunliche Fähigkeit zur Veränderung, wie eine Studie aus Heidelberg zeigt.A. BÖHME

Ein Blick ins Bosch-Werk Göttingen: Der Zulieferer will das Potenzial älterer Arbeitnehmer besser ausschöpfen. Firmenfoto Stuttgart Sie mussten walken und anderweitig Sport treiben, Zahlenreihen auseinander klamüsern und Denksportaufgaben lösen: Beim weltgrößten Autozulieferer Bosch nahmen 200 Beschäftigte - vom Bandarbeiter bis zum Werksleiter - an einem zehnwöchigen Kurs teil und fühlten sich hinterher rundum fit. Andreas Kruse, Direktor des gerontologischen Instituts der Uniklinik Heidelberg, wollte beweisen, dass ältere Arbeitnehmer körperlich wie geistig leistungsfähig bleiben, - wenn man sie richtig anleitet.

Das nutzt dann nicht nur den Arbeitgebern, die mehr und mehr auf die erfahrenen Alten angewiesen sind, weil junge Fachkräfte knapp werden. Es nutzt auch den Teilnehmern selbst: Ihr Wohlbefinden wurde nach dem Versuch mit wöchentlichen Trainingseinheiten messbar gesteigert.

Der demographische Wandel kommt langsam, deshalb verändert sich auch die Arbeitswelt nur behutsam. Noch immer haben ältere Arbeitnehmer mit dem Vorurteil zu kämpfen, den Jungen zumindest körperlich unterlegen zu sein. Zwar gibt es vor allem in großen Unternehmen Betriebssportgruppen, fachliche Weiterbildungsangebote und ein breit gefächertes Gesundheitsmanagement. Aber spezielle Angebote für die kognitive Kompetenz, also die Erkenntnisfähigkeit, das Gedächtnis und die rasche Verarbeitung von Informationen, fehlen bislang.

Auch in Baden-Württemberg gibt es immer weniger junge Menschen
In Nordeuropa ist das anders, aber hierzulande weiß man erst jetzt, wie hoch die sogenannte Plastizität, also die Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit in der Altersgruppe zwischen 45 Jahren und dem Renteneintritt wirklich ist. Kruse: "Erst jetzt wächst die Bereitschaft in den Betrieben, die Erkenntnisse aus Laborbedingungen auf breiter Front zu übernehmen."

Die Stuttgarter Bosch-Stiftung hatte die Studie mit rund 200 Teilnehmern finanziert, der Konzern ließ hernach den praktischen Teil an mehreren Standorten ausprobieren. Dieter Berg, Vorsitzender der Bosch-Stiftung, weiß, wie wichtig es ist, Fitness und Produktivität der Arbeitnehmer bis ins hohe Alter zu erhalten. Und zwar nicht nur für einen innovativen Technologiekonzern wie Bosch, sondern ganz allgemein für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Wolfgang Malchow, Geschäftsführer der Robert-Bosch-GmbH, pflichtet ihm bei. Wo bislang ein "blinder Fleck" war, werde nun das gesamte betriebliche Präventionsangebot mit den neugewonnenen Erkenntnissen aufgepeppt. Die Mitarbeiter sind davon ganz offensichtlich hoch angetan: Während die Studie der Heidelberger Mediziner noch innerhalb der bezahlten Arbeitszeit ablief, finden die offenen Kurse nun nur noch in der Freizeit statt. Trotzdem waren sie rasch ausgebucht.

Nun gilt es, die Programme für die geistige Leistungsfähigkeit nicht nur in großen Konzernen, sondern auch im Mittelstand zu propagieren. Gesundheitsministerin Monika Stolz ist zuversichtlich, dass solche kombinierten Programme zur körperlichen wie geistigen Fitness verbunden mit einer Gesundheitsberatung "eines Tages ganz selbstverständlich Teil der Unternehmenskultur werden". Bis dahin gilt die Erkenntnis von Bosch-Stiftungs-Chef Berg: "Das Altersbild der Gesellschaft entspricht eben nicht dem, was alte Menschen leisten können."

südwest presse,27.04.2010

Letzte Änderung: 27.04.2010