Neonazis immer gewalttätiger

21.04.2007 Islamismus und Rechtsextremismus bleiben die Schwerpunkte

Trotz einer personellen Auszehrung der Neonazi-Szene im Südwesten nimmt die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten und die Zahl der Gewalttaten weiter zu. Das geht aus dem neuen Verfassungsschutzbericht
hervor, der gestern in Stuttgart vorgestellt wurde.
Die Härte der Polizei gegenüber der Rechtsextremisten, sagte Innenminister Heribert Rech (CDU) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts, zahle sich aus: Ihre Gesamtzahl geht in Südwesten seit Jahren zurück und hat sich seit dem Anstieg Mitte der 1990er Jahre inzwischen wieder halbiert. Der Verfassungsschutz gibt die Zahl der Rechtsextremisten mit 3600 an.
Nach Rechs Angaben gibt es zu dem erste "deutliche Anzeichen", dass der Boom der Skinheadmusikszene gestoppt sei. 2006 meldeten die Behörden 14 Skinhead-Konzerte, 2005 waren es noch 26.
Doch die positiven Werte täuschen. Trotz des zahlenmäßigen Niedergangs der Rechtsextremisten im Land steigt das dieser Szene zuzurechnende Register der Straf- und Gewalttaten: Während die Zahl rechtsextremistischer Straftaten 2006 im Vergleich zu 2005 um knapp 20 Prozent auf 1282 zulegte, erhöhte sich die Anzahl entsprechender Gewalttaten sogar um 40 Prozent auf 99.
"Die verbliebenen Rechtsextremisten werden immer gewalttätiger", fasste Rech den Trend zusammen. Die Grünen fordern daher eine Stärkung der "Aussteigerprogramme."
Einen "Gewaltboom" hat der Verfassungsschutz insbesondere bei Auseinandersetzungen zwischen Rechts- und Linksextremisten registriert. Neonazis würden immer häufiger Demonstrationen anmelden, dabei würden Gruppen junger, besonders fanatischer Neonazis, die sich "Autonome Nationalisten" nennen, immer öfter Krawalle mit ebenfalls zur Gewalt bereiten linksextremistischen Gegendemonstranten provozieren.
"Die Aufzüge drohen regelmäßig in Straßenschlachten auszuarten", sagte Rech. Eine Eskalation könne nur mit einem massiven Aufgebot aller Sicherheitsbehörden verhindert werden. Die Hauptleidtragender dieser Entwicklung seien die Bürger, die friedlich gegen Rechtsextremismus protestieren wollen.
Deshalb will Rech die Eingriffsmöglichkeiten der Sicherheitsbehörden bei "Recht-Linkskrawallen" stärken. Er kündigte noch für dieses Jahr eine entsprechende Reform des Versammlungsrechts im Land an.
Sorgen bereitet Rech auch der islamistische Terrorismus. Er warnte davor, die Gefahr möglicher Anschläge zu unterschätzen: "Die Ruhe ist trügerisch. Tag für Tag strömt Terrorpropaganda in unser Land". Auch Baden-Württemberg liege "im Fadenkreuz der selbst ernannten Gotteskrieger." Die Szene sei sehr mobil und verhalte sich "sehr konspirativ", sagte Johannes Schmalzl, Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz.
Der Jahresbericht beziffert die Zahl der Anhänger von islamistischen Vereinigungen und Bestrebungen im Land auf 4400. Es gebe eine "zweistellige Zahl von Gefährdern", meinte der Minister. Im Landesamt für Verfassungsschutz werde derzeit ein Internet-Kompetenzzentrum aufgebaut, um extremistische und terroristische Aktivitäten im Netz noch effektiver aufspüren zu können.

Online gegen Terroristen

Da die Gefahr eines Anschlags "immer konkreter" werde, sagte Rech, unterstütze er den Vorschlag von Bundesinnenminister Schäuble (CDU), den Zugriff auf LKW-Mautdaten bei den Fahndung nach Terrorverdächtigen und Schwerkriminellen zu ermöglichen.
Er sei auch dafür, die rechtlichen Voraussetzungen für Online-Durchsuchungen zu schaffen, da das weltweite Computernetz für Terroristen eine große Rolle spiele. Auch der Vorschlag, den Zugriff auf elektronisch gespeicherte Fingerabdrücke und Passfotos in begründeten Fällen zu ermöglichen, sollte geprüft werden. Dabei sollte aber die "Verhältnismäßigkeit der Mittel" gewahrt bleiben.
"Den gläsernen Bürger will keiner - und es wird ihn auch nicht geben."
Südwestpresse, 21.04.07

Letzte Änderung: 21.11.2007