EU-Gipfel - Heftiges Nachbeben
Die Nachbeben der EU-Gipfel-Hektik waren gestern noch zu spüren. In Polen gab es sorgenvolle Berichte über die Folgen für das deutsch-polnische Verhältnis.
Am drastischsten langte das konservative Magazin "Wprost" hin. Auf dem Titelbild zeigte das polnische Blatt als Fotomontage eine barbusige Kanzlerin Angela Merkel, die die Zwillinge Lech und Jaroslaw an ihren Busen nährt. "Die
Stiefmutter Europas", stand dabei. In dem Bericht wurden Deutschland "postkoloniale Reflexe" vorgeworfen.
60 Jahre nach Kriegsende seien "die Deutschen immer noch nicht in der Lage, Polen partnerschaftlich zu behandeln". Deutsche Politiker und deutsche Medien hätten einen "Frontalangriff" gegen Polen geführt, lautete der Tenor.
Deutschland sei "von unserem Anwalt zu unserem Ankläger" geworden. "Wprost" - für seinen wenig ausgewogenen Blick auf den westlichen Nachbarn bekannt - steht mit dieser Auffassung nicht mehr allein.
"Man gewinnt den Eindruck, dass "die deutschen Politiker" die Fähigkeit verloren haben, das Interesse Deutschlands vom Interesse Europas zu unterscheiden", kommentierte die Zeitung "Rzeczpospolita" den Gipfelverlauf. Kritische
Stimmen an die eigene Adresse gab es auch. "Passt Polen nach Europa?" fragte ""Newsweek Polska". Experten warnten vor einer Selbstisolierung des Landes.
In Berlin war man bemüht, den Streit mit Polen tiefer zu hängen. Man werde die "engen und freundschaftlichen Beziehungen" mit Polen verstärkt ausbauen, ließ Merkel wissen.
Die Devise in Berlin lautet: "Nicht nachkarten." Die Beziehungen seien vor dem Gipfel schwierig gewesen und sie würden auch nach dem Gipfel schwierig bleiben, analysierten Regierungsexperten.
Südwestpresse, 26.06.07
Letzte Änderung: 21.11.2007