Hilfskräfte für die Hauptschule

27.06.2007 Gesperrte Lehrerstellen werden freigegeben - Opposition fordert Systemwechsel

Die Landesregierung will mit einem 26 Millionen Euro teueren Konzept die Qualität der Hauptschulen stärken. Die Opposition fordert weiter die Gesamtschule.
Bereits vor kommenden Schuljahr an werden 305 ursprünglich aus Gründen der Haushaltsplanung gesperrte Stellen für Hauptschullehrer wieder freigegeben. Der Deutsch- und Mathematikunterricht in der Klassen fünf und sechs wird um drei Wochenstunden ergänzt.
Eine Analyse individueller Fähigkeiten soll in Klasse sieben helfen, jene Berufe zu finden, die optimal zu den Talenten der Jugendlichen passen. In der klassen acht und neun sollen die Hauptschulen zusammen mit der Wirtschaft vorwiegend praktisch veranlagten Schülern tiefere Einblicke ins Berufsleben vermitteln.
Verstärkt wird auch die Kooperation zwischen Haupt- und Realschule, wie sie bereits an 60 Standorten praktiziert wird, Das 26 Millionen teuere Konzept sieht gemeinsame Lehrer, schulartübergreifenden Unterricht und Ganztagesbetrieb vor. In einem weiteren Schritt plant Kultusminister Helmut Rau, Ausbildung und Dienstlaufbahn von Haupt- und Realschulen zu vereinheitlichen.
Ab 2008 werden zusätzlich rund 300 Assistenten - Erzieher, Ausbilder, Sozialpädagogen, Lehrer ohne Anstellung - mit pädagogischer Ausbildung, eingestellt.
Sie sollen das Lehrpersonal an den problematischsten der rund 1200 Hauptschulen im Südwesten unterstützen. Baden-Württemberg ist das erste Bundesland, das solche Hilfskräfte nach finnischen Vorbild einsetzt. Weil rund die Hälfte alle Hauptschulen weniger als 125 Schüler zählt, könne man so gezielter fördern als mit einer allgemeinen Absenkung der Klassengrößen, sagte Rau.
Die Grünen nannten Raus Pläne kurzsichtig und forderten erneut einen Wechsel von dreigliedrigen Schulsystem zu einer neun bis zehn Jahre dauernden Gesamtschule.
Die SPD-Landesvorsitzende Ute Vogt beklagte einen "verzweifelten Versuch", der nicht an die Wurzeln der Probleme gehe.
Die Lehrergewerkschaft GEW zeigte sich enttäuscht von den "Schönheitsreparaturen". An den Hauptschulen werde engagierte Arbeit geleistet, dennoch würden weder Eltern noch Arbeitgeber diesen Schultyp akzeptieren. Mit dem Festhalten am dreigliedrigen Schulsystem mache sich das Land deshalb lächerlich.

Kommentar

Kümmerliches Stückwerk
Die vielen Versuche, die in den vergangenen Jahrzehnten gemacht worden sind, um die Hauptschule aufzuwerten, lassen sich kaum mehr zählen. Jetzt unternimmt der Kultusminister Helmut Rau, herausgefordert durch die massive Kritik am dreigliedrigen Schulsystem, einen neuen Anlauf.
Was dabei herausgekommen ist, darf man getrost als kümmerlich bezeichnen. Als Fortschritt wird verkauft, dass Lehrerstellen, die aus Kostengründen unbesetzt bleiben sollten nun doch freigegeben werden.
Darüber hinaus stehen künftig pädagogische Assistenten zur Seite, um lernschwache Schüler zu fordern.
Im Gegenzug werden viele gut ausgebildete Lehramtsanwärter in die Arbeitslosigkeit entlassen. Wer glaubt, dass er mit 300 Hilfskräften den auf dem Lehrstellenmarkt oft chancenlosen Hauptschulabgängern eine Perspektive gibt, will die gewaltigen Probleme dieser Schüler nicht zu Kenntnis nehmen.
Assistenten, eine weitere Trennung der Schüler nach Klasse sieben und eine "Stärkung des Basiskompetenz" in Deutsch und Mathematik: Das klingt nach Stückwerk statt nach großem Wurf.
Warum kommen nicht endlich die Schulpraktiker zum Zuge? Viele Grund- und Hauptschulrektoren wissen, wie man ohne starre Selektion eine bessere Schule schafft.
Doch vor dem Wettbewerb der Ideen schreckt der Minister zurück. Antje Berg
Südwestpresse,27.06.07

Letzte Änderung: 21.11.2007