Die Gewalt nimmt weiter zu
Die Polizeistatistik für den Landkreis weist aber auch weniger Einbrüche aus
Es wird immer brutaler zugeschlagen – vor allem unter Jugendlichen. Der Tübinger Polizei macht diese Entwicklung zunehmend Sorgen. Darum wird derzeit ein „Aktionsplan“ erarbeitet.
Kreis Tübingen. Weniger Diebstähle, Einbrüche und Straßenkriminalität, aber immer mehr schwere und gefährliche Körperverletzungen – als Thomas Züfle, der Leiter der Tübinger
Polizeidirektion (PD), die Kriminalstatistik seiner Behörde vorlegte (siehe Grafik), hatte er vor allem eine zentrale Botschaft: In Tübingen und Umgebung lebt man sicher. Abzulesen ist das laut Züfle an der so genannten
Häufigkeitszahl, die die Kriminalitätsbelastung pro 100000 Einwohner ausweist. Bei 4709 Straftaten liegt diese Zahl im Kreis Tübingen – und damit besser als im Land (5694) und den Kreisen Reutlingen (5403) und
Zollernalb (4930).
Positiv beeinflusst wird die Polizeistatistik dabei vor allem durch die rückläufige Zahl der Diebstähle. Während diese vor zehn Jahren noch über 50 Prozent der Gesamtkriminalität (2007: 10226 Delikte) ausmachten, lag ihr Anteil im vergangenen Jahr nur noch bei gut 34 Prozent (3512 Straftaten). Einen bemerkenswerten Rückgang weist die Statistik speziell für die Wohnungseinbrüche aus. Ihre Zahl (48 vollendete Brüche und 32 Versuche) sank auf den tiefsten Stand seit 1984.
Eine Tatsache, die Züfle sowohl der Prävention der Kriminalpolizeilichen Beratungsstelle zuschreibt als auch der „intelligenten Präsenz“. Seine Beamten seien oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Für Züfle ist das keine Selbstverständlichkeit. Zumal die PD Tübingen derzeit auch mit Personalproblemen zu kämpfen hat. Zur Sollstärke von 359 Vollzugsbeamten fehlen in der Konrad-Adenauer-Straße derzeit 63 Leute. Züfle: „Unser virtuelles Personalreservoir sind tausende von Überstunden.“
Viel Aggressivität junge Täter
Dass bei der Tübinger Polizei trotzdem so erfolgreich und gründlich gearbeitet werde, dafür zollte der 52-jährige Behördenchef seinen knapp 300 Kollegen aus dem Vollzugsdienst und den etwa 50 Beschäftigten der PD-Verwaltung „hohen Respekt“. Bei ihrer Arbeit auf der Straße wurden die Polizisten im vergangenen Jahr immer häufiger mit der wachsenden Aggressivität konfrontiert. Die Statistiker registrierten 345 Gewaltdelikte (plus 12,7 Prozent).
Vor allem gefährliche und schwere Körperverletzungen, bei denen Waffen eingesetzt oder Opfer von mehreren Tätern traktiert wurden, machen der Polizei zu schaffen. Und die Tatsache, dass fast die Hälfte (45 Prozent) dieser Rohheits-Ausbrüche auf das Konto von Tätern geht, die noch keine 21 Jahre alt sind.
Ins Auge sticht dabei auch ein weiteres Ergebnis der Polizeistatistiker: Von 100000 Personen dieses Alters mit deutschem Pass sind etwa 430 gewalttätig, unter der gleichen Anzahl von Jugendlichen und Heranwachsenden ohne deutschen Pass sind aber ganze 1490 als Gewalttäter aufgefallen. Thomas Züfle: „Das ist für uns aber keine Frage des Passes, sondern der sozialen Umstände und der Bildung.“ Vernünftige Strategien zur Konfliktlösung setzten Kompetenzen (wie Sprache) voraus, die bei Leuten „mit Migrationshintergrund“ eben nicht als selbstverständlich vorauszusetzen seien.
Die Polizeidirektion will sich des Gewaltthemas deshalb jetzt mit einem „Aktionsplan“ annehmen. Zusammen mit der Landkreisverwaltung, dem Gemeindetag, der Staatsanwaltschaft, Kliniken und Therapie-Einrichtungen wird
die Polizei der Gewaltbereitschaft sowohl präventiv als auch repressiv entgegentreten. Noch laufen die vorbereitenden Gespräche. Züfle: „Klar ist aber, dass zum Thema Gewalt bei Jugendlichen auch der Alkohol
gehört.“ Und offenbar abschreckende Strenge. „Wir haben von der Staatsanwaltschaft die Zusage, dass Gewaltsachen nicht aus verfahrensökonomischen Gründen eingestellt werden.“
SÜDWEST PRESSE,27.02.2008
Letzte Änderung: 27.02.2008