Ärzte schließen Praxen
Bei den Hausärzten wächst der Unmut über die Gesundheitsreform. Ein Ärzteverband rief deshalb zu Praxisschließungen diese Woche auf. Wie viele Mediziner dem Appell folgen, ist noch nicht bekannt.
Aus Protest gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung halten seit gestern viele Ärzte in Deutschland ihre Praxis geschlossen. Zu der bis Freitag dauernden Aktion hat der Bundesverband "Freie Ärzteschaft " in Erkrath
aufgerufen, dem nach eigenen Angaben bundesweit rund 3000 niedergelassene Mediziner angehören. In erster Linie richtet sich der Protest gegen Bestrebungen, die Patientenversorgung immer mehr von den Arztpraxen in die
Krankenhäuser oder Gesundheitszentren verlagern.
"Die drohende Verdrängung der freien Arztpraxen durch die Gesundheitsindustrie stellt eine massive Gefährdung unserer Existenz und der wohnortnahen ärztlichen Versorgung dar ", erklärte der Ärzteverband. Die ambulante Versorgung der Bevölkerung sei durch Unterfinanzierung gekennzeichnet. Verantwortlich für die gravierenden Fehlentwicklungen seien der Gesetzgeber und das Bundesgesundheitsministerium.
Wie viele der rund 120 000 niedergelassenen Ärzte im Bundesgebiet an der Aktion teilnehmen, war unklar. Die "Freie Ärzteschaft " hofft auf 20 000 bis 30 000, andere Verbände halten diese Zahl für stark übertrieben und verweisen darauf, dass in der Woche nach Ostern viele Praxen ohnehin urlaubsbedingt geschlossen blieben. Allerdings sind sich die Selbstorganisationen der Mediziner einig in der Einschätzung, dass zur Sicherung der breiten Praxisversorgung etwas getan werden muss.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg Dietrich Hoppe, verwies darauf, dass es in ländlichen Regionen Ostdeutschlands bereits heute einen drastischen Hausärztemangel gebe. In den kommenden Jahren gingen mehr als 40 000 Ärzte in den Ruhestand. Ausreichender Nachwuchs sei weder im ambulanten noch im stationären Bereich in Sicht.
Von dem Mangel betroffen sei in erster Linie die hausärztliche Versorgung, aber auch in einigen fachärztlichen Gruppen drohe ein Ärztemangel. "Der ärztliche Nachwuchs bricht uns weg ", beklagte Hoppe.
Der Präsident der "Freien Ärzteschaft ", Martin Grauduszus, kritisierte, viele Arztpraxen würden von der Politik "gezielt ausgehungert ". Mit der Protestwoche gäben die Betroffenen einen kleinen Vorgeschmack darauf, was passiere, wenn eines der besten Gesundheitssysteme der Welt von der Politik mutwillig zerschlagen werde.
Um dem auf dem Lande bereits heute spürbaren Mangel an niedergelassenen Ärzten schneller begegnen zu können, hat der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen eine neue Richtlinie
beschlossen. Danach soll einer Unterversorgung mit Haus- und Fachärzten in bestimmten Regionen mit finanziellen Anreizen entgegengewirkt werden. In dem im Internet einsehbaren jüngsten Beschluss des Bundesausschusses vom 13.
März sei zumindest angeführt, dass die Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen künftig bei der Prüfung des Versorgungsbedarfes die Altersstruktur der Bevölkerung einbeziehen dürfen. Der
Vizepräsident der "Freien Ärzteschaft ", Peter Loula, sagte, in den Ruhestand gehende Mediziner fänden aus Angst vor finanziellem Ruin auch für gutgehende Praxen keine Nachfolger. Mit dem geplanten Gesundheitsfonds
drohten weitere Einbußen bis zu 30 Prozent. dpa/AP
SÜDWEST PRESSE,26.03.2008
Letzte Änderung: 27.03.2008