IG Metall probt die Revolution von oben

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09.12.2009 Starke Ausrichtung an Mitgliedergewinnung - Vorstand soll verkleinert werden

Die IG Metall ist mit 2,3 Millionen Mitgliedern immer noch die größte Gewerkschaft Europas. Doch der dramatische Mitgliederschwund zwingt die Führung zu einem neuen Organisations-Konzept.

Reformer an der Spitze der IG-Metall: Berthold Huber. Foto: ddp Frankfurt Es ist nicht weniger als eine Revolution von oben, vor der die IG Metall als noch immer größte und mächtigste Einzelgewerkschaft Europas steht: Nach den Vorschlägen von Berthold Huber und Detlef Wetzel soll der mächtige Vorstand in Frankfurt verkleinert, die Autonomie der rund 160 regionalen Verwaltungsstellen erhöht werden. Darüber hinaus stellt das "Projekt IG Metall 2009" das Verhältnis zum Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) als politischer Interessenvertretung infrage.

"Der nun angepeilte Umbau hätte eigentlich schon viel früher geschehen müssen", sagt der Frankfurter Gewerkschaftsexperte Josef Esser. Der emeritierte Professor teilt die Analyse der Gewerkschaftsspitze, dass sich schnell etwas ändern muss, um die Schlagkraft der Organisation mit noch rund 2,3 Mio. Mitgliedern zu sichern.

Nur noch gut die Hälfte aller größeren Betriebe der Metall- und Elektroindustrie ist an Tarifverträge mit den Metallern gebunden. Der Organisationsgrad der IG Metall ist nach ihren eigenen Angaben auf knapp 27 Prozent gesunken. Schwer zu schaffen macht der Gewerkschaft zudem der demografische Faktor: Allein bis 2012 droht der Verlust von 300 000 Mitgliedern und 230 Mio. EUR Beitragseinnahmen.

Trotz des Einflussgewinns auf Politik und Unternehmen ist die wirtschaftliche Flaute Gift für die Gewerkschaften, die permanente Abwehrkämpfe organisieren müssen. Kräftige Lohnzuwächse sind nun einmal für die Mitglieder attraktiver als die soziale Abfederung immer neuer Sparrunden. Wenn dann noch Entlassungen oder Kurzarbeit kommen, spart der Einzelne gern am Beitrag für die Gewerkschaft.

IG-Metall-Chef Huber und vor allem sein Stellvertreter Wetzel setzen in ihrem Konzept, das derzeit in der Organisation heiß diskutiert wird, ganz auf neue Mitglieder. Für deren professionelle Werbung müssten mehr Geld und Personal eingesetzt werden, erklären sie unter Hinweis auf erfolgreiche Gewerkschaften in den USA oder Australien. Während nach außen Tarifkonflikte, die Erschließung weißer Flecken und neue Formen der Beteiligung in der "Mitmachgewerkschaft" propagiert werden, setzt die Führungsspitze intern auf knallharte Managementmethoden.

Die einzelnen Verwaltungsstellen sollen stärker finanziell profitieren, wenn es ihnen gelingt, neue Mitglieder zu gewinnen. Mittel sind dabei strikte Zielvorgaben und interne Vergleiche. Klar ist die Vorgabe, dass die Hauptkasse nicht zusätzlich belastet werden darf: Der finanzielle Erfolg der einen Verwaltungsstelle muss folglich zulasten einer anderen oder der als "Scharnier" zum Vorstand vorgesehenen Gewerkschaftsbezirke gehen. Der Vorstand könnte von jetzt sieben auf dann nur noch drei Mitglieder schrumpfen.

Wetzel habe bislang stets steigende Mitgliedzahlen als Argument auf seiner Seite gehabt, sagt Britta Rehder vom Kölner Institut für Gesellschaftsforschung. Zuwächse könnten auch sein wichtigstes Argument werden, um die erwarteten Widerstände zu brechen. Potenzielle Verlierer sitzen vor allem im roten Vorstandshochhaus in Frankfurt: "Ein großer Vorstand hat natürlich den Vorteil, dass er die verschiedenen Flügel der Gewerkschaft besser abbilden kann. Derzeit würde ein Umbau wohl eher zulasten der Linken gehen. Insofern steht die IG Metall vor einer Zerreißprobe."

Dass die IG Metall in dem Konzept offen mit dem Gedanken spielt, ihre politischen Interessen in Berlin künftig selbst zu vertreten, ist für den Gewerkschaftsexperten Esser ein Warnsignal. Der DGB dürfe nicht weiter abgewertet werden. Schon jetzt fehle es an einer gemeinsamen Linie der Gewerkschaften zu wichtigen sozialpolitischen Themen wie beispielsweise der Rente mit 67. Die IG Metall beschäftigt sich aber zunächst einmal mit sich selbst: Einschneidende Satzungsänderungen könnten erst auf dem Gewerkschaftstag 2011 in Karlsruhe beschlossen werden. dpa

südwest presse,09.12.2009

Letzte Änderung: 09.12.2009