Erste Erfolge nach der Straßburg-Demo

Stop Bolkestein

22.02.2006 Unter dem Eindruck der Proteste hat das Europaparlament mit der Stimmenmehrheit von sozialdemokratischer und konservativer Fraktion einen Kompromiss verabschiedet.

Die Mobilisierung der Gewerkschaften und sozialen Bewegungen gegen den Kommissionsentwurf der EU-Dienstleistungsrichtlinie hat einen ersten Erfolg gebracht.

In dem verabschiedeten Kompromiss ist das von den Gewerkschaften besonders kritisierte "Herkunftslandprinzip" als Begriff aus dem Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie gestrichen worden. Ebenfalls sollen das Arbeitsrecht, der Gesundheitsbereich, Transportdienstleistungen und Zeitarbeitsagenturen aus dem Geltungsbereich der Richtlinie herausgenommen werden.

Über 85000 Menschen waren am 11. und 14. Februar in Berlin und Straßburg dem Aufruf von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen gefolgt und haben gegen Lohn- und Sozialdumping und für ein soziales Europa demonstriert.

Wir danken allen Kolleginnen und Kollegen, die mit ihrer Aufklärungsarbeit für diese eindrucksvollen Demonstrationen mobilisiert haben. Wir danken ebenfalls allen Helferinnen und Helfern, die mit ihrem tatkräftigen Einsatz während der Demonstrationen für einen guten Verlauf sorgten und insbesondere allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Wir können jetzt auf unserem ersten Erfolg aufbauen, indem wir weiterhin in Betrieben und in der Öffentlichkeit für unsere Ziele werben. Hintergrund: Der vom Parlament verabschiedete Kompromiss hat dem ursprünglichen Kommissionsentwurf nicht alle Giftzähne gezogen. Der Kompromiss enthält Regelungen, die nicht auf unsere Zustimmung stoßen können. Zur schnellen Information eine erste Analyse:

  • Die Dienste von "allgemeinem Interesse" und von "allgemeinem wirtschaftlichen Interesse" sind nicht weit genug von der Richtlinie ausgenommen.
  • Die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten zur Regulierung ihrer Märkte sind weiter eingeschränkt worden.
  • Außerdem enthält der Kompromiss unklare Formulierungen, die zu Rechtsunsicherheit und Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) führen können. Auf wirtschaftspolitischen Gebiet ist der EuGH für seine liberalisierungsfreundlichen Urteile bekannt.

Aus einem weiteren Grund kann keine Entwarnung gegeben werden: Die EU-Kommission hat angekündigt, dem Parlament einen überarbeiteten Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie vorzulegen. EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla erklärte laut dpa: "Das Ziel bleibt völlig klar: Der gemeinsame Dienstleistungsmarkt muss so offen wie nur möglich werden."

Es ist mit dem Versuch zu rechnen, dass durch die Hintertür "Verschlimmbesserungen" des Richtlinienvorschlags durchgesetzt werden sollen. Auch im EU-Ministerrat (die jeweiligen Fachminister der Mitgliedstaaten), der die Richtlinie endgültig verabschiedet, gibt es starke Kräfte, die das "Herkunftslandprinzip" und andere für die Beschäftigten unakzeptable Regelungen in der Richtlinie verankern wollen.

Aus diesen Gründen müssen wir unsere Aufklärungsarbeit und Aktivitäten fortsetzen. Und zwar so lange, bis eine EU-Dienstleistungsrichtlinie verabschiedet ist, die den Belangen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dem Sozial-, Verbraucher- und Umweltschutz Rechnung trägt.

Letzte Änderung: 21.11.2007