Pflegebedürftige schlech versorgt

02.09.2007 Medizinischer Dienst stellt neuen Prüfbericht vor

Verbesserungen ja, aber in viel zu geringem Umfang. Noch immer werden viele Pflegebedürftige unzureichend versorgt. Das ist das traurige Ergebnis eines neuen Prüfberichts.
Jeder dritte Pflegebedürftige wird nicht angemessen mit Essen und Trinken versorgt. Rund 35 Prozent der Heimbewohner und 42 Prozent der ambulant Versorgten werden nicht oft genug umgebettet und laufen Gefahr, sich wund zu liegen.
Das geht aus dem neuen Prüfbericht des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen und der Spitzenverbände der Pflegekassen hervor. Danach haben die Kontrolleure bei insgesamt 10 Prozent der Hilfsbedürftigen in Heimen und bei 5,7 Prozent in der ambulanten Versorgung einen "akut unzureichenden Pflegezustand" festgestellt.
Die Experten warnen dennoch davor, die Zahlen zu skandalisieren: Seit dem letzten Bericht 2003 habe sich die Pflege alter und kranker Menschen in allen wichtigen Kriterien verbessert - wenn auch auf einem niedrigen Niveau, sagte Vorstandschef Werner Gerdelmann vom Verband der Angestellten-Krankenkassen.
Er räumte aber auch ein: "Die Pflege hat nach wie vor ein Qualitätsproblem." Das ist nicht nur eine Frage des Geldes. Im Gegenteil: Die Untersuchung habe gezeigt, dass die teueren Pflegeheime keineswegs die besten seien. Meist lasse sich kein Zusammenhang zwischen Kosten und Qualität feststellen.
Insgesamt stellten die Prüfer bei 34,4 pr0zent der Heimbewohner Mängel bei Ernährung und Flüssigkeitszufuhr fest. In der ambulanter Pflege waren es 29,6 Prozent. In diese Statistik mit aufgenommen sind auch Patienten, bei denen Standards wie Gewichtskontrolle oder Kalorienbedarf nicht berücksichtigt wurden.
Keine angemessene Inkontinenzversorgung entdeckten die Kassenprüfer bei 15,5 Prozent der Heimbewohner und 21,5 Prozent der ambulant Versorgten. Besonders Demenzkranke werden demnach nicht ausreichend betreut (30,3 Prozent in Heimen, 26,1 Prozent ambulant).
Für den Bericht wurden von 2004 bis 2006 rund 40 000 Pflegebedürftige untersucht. Allein 2006 kontrollierte der Medizinische Dienst 18,5 Prozent der Pflegeeinrichtungen. In 56 Prozent der Fälle tauchten die Prüfer unangemeldet in den Heimen auf. Der Deutsche Pflegeverband mahnt als Reaktion auf den Bericht eine rasche Reform an. Er nannte die geplante Erhöhung der Pflegebeiträge als nicht ausreichend.

Kommentar von Elisabeth Zoll
Auch wenn es Verbesserungen gibt: Die neue Studie des Medizinischen Dienstes offenbart immer noch einen Skandal. Viele Heimbewohner werden nicht angemessen mit Essen und Trinken versorgt, noch mehr müssen Schmerzen ertragen, weil sie nicht oft genug umgebettet werden.
Das sind keine Probleme, die von übersteigerten Ansprüchen herrühren. Hier geht es um bescheidene Grundbedürfnisse von Menschen, die in diesem reichen Land doch selbstverständlich gewährt werden müssten. Doch das ist nicht der Fall.
Am Geld hängt das nicht in erster Linie. Anständige Pflege ist keine Frage von Tagessätzen, wohl aber von Moral und Fürsorgepflicht. Da müssen Heime, in denen nicht der Mensch, sondern die Rendite im Vordergrund steht, vermutlich passen.
Um diese Profitjäger zu erkennen, braucht es keine neue Expertenkommission. Wichtig wäre Transparenz. Die Prüfberichte gehören für jeden zugänglich ins Internet. So können Menschen ermessen, in welchem Haus sie ihre Angehörige unterbringen wollen.
Manche Einrichtungen sind diesen Schritt schon gegangen - ohne Gesetz, nur im Wissen, dass sie nichts zu verbergen haben. Andere sollten ihnen folgen. Auch so stellt man schwarze Schafe bloß.
Diese müssen endlich Konsequenzen spüren: Heime, die ihre Fürsorgepflicht grob verletzen, müssen geschlossen werden.
Südwestpresse, 01.09.07

Letzte Änderung: 21.11.2007