Die böse Fee von König Kurt

22.10.2007 Warum Andrea Nahles in der SPD so viele Feinde hat

Zielstrebig hat Andrea Nahles ihren Aufstieg in der SPD betrieben. Jetzt wird die 39-jährige eine von drei stellvertretenden Parteivorsitzenden. Am Ende ihrer politischen Träume scheint sie damit noch nicht zu sein. Kein Wunder: Sie ist die Jüngste in der neuen Parteiführung.
Wer sich mit Andrea Nahles trifft, muss gute Nerven haben. Sie ist eine anstrengende Gesprächspartnerin, ständig schielt sie auf ihren Blackberry, der jeder Sekunde eine wichtige Nachricht verheißt oder einen dringenden Anrufer, "den Karl" (Lauterbach) oder den "Hubi" (Heil) etwa.
Zwischendurch erklärt sie die SPD, lacht sich schief oder benutzt derbe Vokabeln wie "Kacke" oder "Scheiße". Das ist eine Weile unterhaltsam, aber dann fragt man sich, wie Andrea Nahles diese Tourenzahl auf Dauer aushalten soll.
Wenn alles gut geht, wird sie ja noch mindestens zwei oder drei Jahrzehnte Politik machen, für sich und ihre Partei. Und schon jetzt hat die Rheinland-Pfälzerin einiges auf dem Kerbholz. 1995 wirkte sie aktiv am Sturz Rudolf Scharping mit, in engem Schulterschluss mit ihrem großen Vorbild Oskar Lafontaine.
Im November 2005 brachte Andrea Nahles den nächsten SPD-Chef zur Strecke, Franz Müntefering, gegen dessen Wunschkandidaten Kajo Wasserhövel sie zur Wahl als Generalsekretärin antrat.
Neuerdings wird sie verdächtigt, ihren Landsmann Kurt Beck gegen "Münte" aufgewiegelt zu haben, damit der Mainzer die ungeliebte "Agenda 2010" auf den Müllhaufen der Geschichte kehrt. Klar, dass der Vizekanzler wieder eine Verschwörung seiner Lieblingsfeindin wittert, aber auch andere Sozis wie Fraktionschef Peter Struck sind nicht gut auf sie zu sprechen.
"Unanständig" habe sich die ehrgeizige Genossin damals verhalten, grollen sie. Allerdings schwingt in jeder abfälligen Bemerkung über "die böse Fee im Reich von König Kurt" auch ein gewisser Respekt von dem Wagemut der linken Strippenzieherin mit.
Politische Begabung spricht ihr nicht einmal Müntefering ab. Der Sozialminister weiß, dass Andrea Nahles, seit neun Jahren liiert mit VW-Personalvorstand Horst Neumann (58), ihre Attacken gut vorbereitet. Die studierte Germanistin hat sich zu einer ernstzunehmenden Renten- und Arbeitsmarktexpertin fortgebildet. Nur ihr Ton geht noch oft daneben.
"Das muss jetzt drin sein, Franz", so raunzte sie jüngst den angefressenen Sauerländer in einem Interview an - Müntefering kochte. Ob Kurt Beck weiß, was er sich da einhandelt? Der Pfälzer kennt die Parteifreundin seit Jahren. Zunächst war ihr Verhältnis angespannt. Dann verschaffte ihr der zuweilen aufbrausende Landesvater, den Andrea Nahles halb spöttisch, halb anerkennend als "Buddha mit Zündschnur" charakterisiert, 2005 einen sicheren Listenplatz für den Bundestag. Und nun schlug Beck sie sogar als Stellvertreterin an der Spitze des Bundespartei vor, auf Augenhöhe mit dem Bundesministern Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier.
Mindestens einen Vorteil hat Andrea Nahles - sie ist bestens vernetzt in der SPD. Als ehemalige Juso-Chefin und amtierende Sprecherin der "Parlamentarischen Linken" verfügt sie über Kontakte in alle Parteigliederungen hinein. Sie kennt die Gefühlslage der Basis und weiß, wie die Funktionäre ticken. Auf vielen Parteitagen hat sie Mehrheiten organisiert und Karrieren beendet. Dass dies ausreicht, um noch weiter nach oben zu kommen, bezweifeln dennoch viele. So glaubt Brandt-Witwe Brigitte Seebacher nicht, dass Andrea Nahles einst Parteivorsitzende oder gar Kanzlerin wird: "Niemand traut ihr zu, auch nur eine Eisdiele zu führen."
Südwestpresse, 22.10.07

Letzte Änderung: 21.11.2007