Heime, die keine sind

25.10.2007 In Deutschland gibt es 300 Alten-Wohngemeinschaften

Viele Bürger gründen Initiativen, um neue Wohngruppen einzurichten.
Wohngemeinschaften können einen nennenswerten Beitrag leisten, um gerade altersdementen Menschen ein würdiges Dasein zu ermöglichen. Da sind sich Experten und Politiker einig. Doch dazu müsste ein neuer Rechtsrahmen geschaffen werden. Nach dem Gesetz sind sie Pflegeheime.
Danach müsste dort nachts eine ausgebildete Fachkraft tätig sein. Allein diese Vorschrift wäre das finanzielle Aus aller Wohngruppen, sagt Professor Thomas Klie von der evangelischen Fachhochschule Freiburg. Bis jetzt erlauben Experimentierklauseln Ausnahmen.
Nun versprechen Politiker, das Heimgesetz neu zu fassen. Die Bundesländer sind seit September 2006 dafür zuständig. Auch die baden-württembergische Sozialministerin Monika Stolz (CDU) macht sich für alternative Wohnformen stark.
Doch das Heimgesetz lässt auf sich warten. "Baden-Württemberg verhält sich defensiv", sagt Professor Klie. Er plädiert für Vorschriften, die Wohngemeinschaften unnötige Auflagen ersparen, aber die Qualität der Betreuung sicherstellen.
Ministerin Stolz will dies mit ihrem Gesetzentwurf erreichen, den das Kabinett noch vor Weihnachten beschließen soll. Allerdings werden betreute Wohngemeinschaften weiter dem Heimgesetz unterliegen, um Missbräuche zu vermeiden. Der Kirchheimer Verein hat nichts gegen Kontrollen. Im Gegenteil. Einen Handlauf im Flur und Notfallklingeln in jedem Zimmer hält er aber für unnötig.
Widerstand wächst
Klie beklagt, dass die Bundesregierung bei der Novelle des Pflegegesetzes eine Chance verpasst hat. Statt an Sachleistungen festzuhalten, die auf "Verrichtungen" bezogen seien, hätte man ein Pflegebudget für Wohngruppen einführen können. Aber Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) habe dies abgelehnt. Sie hätte damit auch unterbunden, dass sich ambulante Pflegedienste an einigen der 200 Altenwohngemeinschaften in Berlin laut Klie "eine goldene Nase" verdienen.
Von Seiten großer Heimträger sieht Klie den Widerstand gegen Wohngemeinschaften wachsen. Da würden bereits Bürgermeister bearbeitet, sich von Initiativen nicht vereinnahmen lassen. Der Grund: In den Heimen stünden bereits zehn Prozent der Plätze leer.
Südwestpresse, 25.10.07

Letzte Änderung: 21.11.2007