Ärzte in Sorge um die Jugend

10.11.2007 Psychische Probleme nehmen zu - Alkohol, Drogen und Armut als Ursache

Immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland haben nach Beobachtung von Fachärzten psychische Probleme.
"Ängste, Störungen des Sozialverhaltens mit aggressiven Auffälligkeiten und Depressionen stehen im Vordergrund", sagte Joachim Hübner, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Träger Psychiatrischer Krankenhäuser, in Hamburg.
Besonders betroffen seien Kinder aus Familien mit ungünstigem Familienklima und niedrigem sozialen Status. Nach der Studie KiGGS der Berliner Robert Koch-Instituts haben zehn Prozent aller Kinder und Jugendlichen psychische Probleme.
"Wir haben immer mehr Jugendliche mit psychischen Auffälligkeiten wie dem Borderline-Syndrom (emotional instabile Persönlichkeitsstörung) oder dissozialen (trennend, auflösend) Störungen, denen das Leid anderer wenig ausmacht", sagte der ärztliche Direktor der Hamburger Asklepios Klinik Nord, Claas-Hinrich Lammers.
Ursache seien vor allem gesellschaftliche Entwicklungen wie mehr Armut und mehr Drogen- und Alkoholmissbrauch. "Kinder trinken immer früher und immer mehr Alkohol." Wenn dann andere Faktoren hinzukämen, könne das auch zu einer erhöhten Aggressivität führen. "Je früher wir solche Störungen behandeln, desto besser", betonte der Mediziner.
Allerdings gebe es in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu wenig ambulante und stationäre Fachärzte, beklagte Hübner. "Nur die Hälfte der Kinder und Jugendlichen erhält eine angemessene Behandlung." Die Bundesarbeitsgemeinschaft fordert mehr Geld für diesen Bereich des Gesundheitswesens, um mehr Ärzte einzustellen. Sonst drohe eine Mehrbelastung der Jugendhilfe und damit der Kommunen.
Zudem bestehe die Gefahr, dass die psychischen Erkrankungen sich verstärken oder Jugendliche mit Störungen des Sozialverhaltens in die Kriminalität abrutschen.
"Volkswirtschaftlich können die Belastungen langfristig weit hoher liegen als jetzt Mittel erforderlich sind, um die Qualitätsstandards der Krankenhausversorgung zu gewährleisten", sagte Hübner abschließend.
Südwestpresse, 10.11.07

Letzte Änderung: 21.11.2007