Frauen sind "soziale Airbags"

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12.05.2009 Seltsam, dieses Jahr, der Tag der Arbeit. Wer hat denn überhaupt noch Arbeit - und wie viel ist der wert?

Im Hort, in den mein kleiner Sohn geht, in einem sozial schwierigen Stadtviertel, gibt es immer häufiger folgende Konstellation: Bislang hatte Papa Arbeit, zum Beispiel auf dem Bau, Mama hatte einen Teilzeitjob, zum Beispiel im Altenheim. Er war Haupternährer, sie Zuverdienerin. Jetzt ist Papa arbeitslos, und Mama nimmt einen Zweitjob an, trägt morgens ab 4 Uhr Briefe aus. Und übernimmt im Altenheim noch einen zusätzlichen Nachtdienst im Monat.

Für die Kinder ist das gar nicht so einfach. Papa ist jetzt zu Hause, und er muss sich erst mal an die neue Rolle gewöhnen. Mama ist total erschöpft und abends mit den Nerven am Ende, weil sie zwei Jobs hat und sich immer noch hauptsächlich für die Erziehung zuständig fühlt. Zudem hat die Familie wenig Geld, weil Frauenjobs immer noch schlechter bezahlt sind. Jede Menge Dampf in der Bude.

In den USA ist diese kleine Beobachtung aus meinem Kölner Hort schon ein Massenphänomen. Dort entfallen 82 Prozent aller Stellenstreichungen auf Männer. Weil Männer eher im verarbeitenden Gewerbe sind und dort wird kurzgearbeitet oder gleich entlassen. Frauen dagegen machen am liebsten "was mit Menschen", werden Kauffrau, Friseurin oder medizinische Fachangestellte.

Lange genug wurden sie dafür übrigens gescholten, die Mädchen. Immer dieselben zehn Berufe, immer wollten sie - aller Kampagnen "Mädchen in Männerberufe" und allen "Girl`s Days" zum Trotz- Friseurin werden und Zahnarzthelferin. Jetzt plötzlich stehen sie vergleichsweise gut da. Und steigen plötzlich zur Alleinverdienerin auf.

Dann ist doch alles paletti, oder? Nicht ganz. Erstens rächt sich jetzt, dass der Umgang mit Menschen schlechter entlohnt wird als der mit Maschinen. Hätte man eine Uraltforderung der Gewerkschaften erfüllt, ginge es heute vielen Haushalten besser, in denen wenigstens die Frau noch einen Job hat. Schon seit balg 30 Jahren wiederholen sie gebetsmühlenartig: Nicht nur schwere Muskelarbeit gehört anständig bezahlt. Sondern auch zuhören, anfassen, füttern, pflegen. Klassische Frauenarbeit eben. Oder sollte man sagen: Zukunftsarbeit? Denn eines ist doch klar: Erziehen, unterrichten, Alte pflegen kann man weder nach Osteuropa auslagern noch durch Roboter ersetzen. Kein Wunder, dass in den USA jetzt haufenweise Bauarbeiter zu Altenpflegern umgeschult werden und arbeitslose Investmentbanker zu Lehrern.

Also: Spätesten jetzt muss diese Arbeit besser bezahlt werden. Und die andere Arbeit muss mehr Anerkennung bekommen: die Erziehungsarbeit, die Hausarbeit, das Ehrenamt. Auch das ist ja Arbeit, die überwiegend von Frauen gemacht wird.

Aber was, bitte schön, sollen die denn noch alles schultern: Mit zwei Minijobs die Familie über die runden bringen. Den Haushalt schmeißen. Die alte Mutter oder Schwiegermutter pflegen. Und oft genug noch den Schulgarten jäten und in der Kirchengemeinde den Kleiderbasar wuppen.

Nein, da muss sich was ändern. "Soziale Airbags" nennen Soziologen jene Frauen, die alles abfedern, was die Krise so an Unfällen produziert. Aber jeder Autobauer weiß: Ein Airbag kann nur einen einzigen Aufprall verkraften. Man soll die Kräfte der fleißigen, schlecht bezahlten Frauen nicht überschätzen. Dieser Tage sind in den Fußgängerzonen der Städte wieder die Ehrenamtlichen des Müttergenesungswerks mit ihren Sammelbüchsen unterwegs - ja, klar, auch das machen vor allem Mädchen und Frauen. Wenn der Airbag geplatzt ist, wenn Frauen tatsächlich nicht mehr können, dann ist eine Kur eine segensreiche Einrichtung.

Aber die Krise wird morgen nicht vorbei sein, viele Männerjobs werden nie wieder kommen. Das heißt: Frauen müssen dauerhaft entlastet werden, Männer müssen sich viel mehr um den Haushalt und Familie engagieren: Und übrigens könnten auch viele Kinder dazu beitragen, ihren Müttern das leben leichter zu machen. Wer im "Hotel Mama" wohnt, kann durchaus sein Zimmer selber putze und die Betten beziehen, auf Ferienfreizeiten machen das die Jungs schließlich auch selber. Warum nicht zu Hause? Es ist an der Zeit zu überlegen: Die Zeiten werden härter. Wer macht künftig was?

Die ANDERE Meinung von Ursula Ott
Sonntag Aktuell, 03.05.2009

Letzte Änderung: 12.05.2009