Essensbon kostet Manager den Job

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10.02.2010 Kantinengutschein im Wert von 80 Cent an Freundin weitergegeben - Fristlose Kündigung

Essensbons weitergeben? Ausdrücklich verboten. Ein Mitarbeiter einer Pfullinger Firma, der seiner Freundin ein Märkle verschafft hatte, musste gehen.

"Die Presse wird sicher wieder etwas anderes berichten, so nach dem Motto: Ein bisschen Diebstahl darf ja sein", sagte Anwalt Rainer Lopau, bevor es um die Einzelheiten des Falls ging. Der Jurist von der "Fachvereinigung Wirkerei-Strickerei" vertrat beim Gütetermin vor dem Reutlinger Arbeitsgericht die Pfullinger Sportartikelfirma Erima. Zur Seite hatte er Personalchefin Gabriele Hofer. Vor Gericht ging es um die Klage eines 35-Jährigen, der im Einkauf der Firma tätig war, gegen seine fristlose Kündigung. Der Mann hatte sich von einem Kollegen einen Essensgutschein geben lassen. Mit dem Bon holte sich seine Lebensgefährtin in der Kantine ein Essen. Die Bons sind aber ausdrücklich nicht übertragbar auf andere Mitarbeiter oder gar Betriebsfremde wie die Freundin. Jeder Essensgutschein muss vom jeweiligen Mitarbeiter auch unterschrieben werden.

"Planmäßig" sei der junge Manager an die Sache herangegangen, meinte Anwalt Lopau. Denn ein von ihm selbst unterschriebenes Märkle im Wert von 80 Cent "in fremden Händen" wäre der Kassiererin möglicherweise erst recht aufgefallen. So aber habe der Mann schon vormittags einen Kollegen um ein Märkchen gebeten. "In der Kantine gabs an dem Tag ein Essen, das meine Lebensgefährtin sehr mag - aber sie hatte ihr Geld im Auto liegen lassen und ich hatte auch keines dabei", sagte der 35-Jährige, der gegen die Kündigung klagt. "Strafrechtlich gesehen wäre das ja unter Umständen Betrug oder Untreue gewesen, darauf wollen wir aber gar nicht hinaus", gab Lopau zu Protokoll. "Aber wer wegen 80 Cent ein solches Gedöns anstellt", sagte Lopau, der müsse sich schon fragen lassen, ob er als Erima-Einkäufer, der mit 15 Millionen Euro im Jahr umgeht, nicht das Vertrauensverhältnis zum Unternehmen gefährde. "Um den Wert der Kantinenmarke geht es uns nicht, sondern um das gezielte und planmäßige Verhalten des Klägers", erklärte der Anwalt. "Nur ein bisschen Betrug gibts jedenfalls nicht!" Deshalb die fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung.

Die Anwälte des Klägers, Michael Hubberten und Johannes Schmid, wollten wissen, weshalb der Kollege, der ihrem Mandanten das Märkchen "wissentlich übergab", unbehelligt geblieben sei. Das sei Sache der Firma, so Lopau: "Gleichheit im Unrecht gibt es nicht!"

Der Betriebsrat hätte der Kündigung "postwendend zugestimmt", sagte Hubberten. Auf Anfrage sagte die Betriebsratsvorsitzende Irmtraud Gräfe unserer Zeitung, dass die von der Chefetage genannten Gründe für den Rauswurf "sehr schlüssig" gewesen seien. "Und außerdem mussten wir ja innerhalb kürzester Frist darauf antworten." "Nun ist Presse derzeit ja voll mit den bekannten Fällen vom Buletten- und Maultaschenklau", so der Anwalt des Betroffenen. Gerade deshalb habe das Bundesarbeitsgericht unlängst dringend zu einer "vernünftigen Interessensabwägung" geraten. Einen finanziellen Nachteil habe der Sportartikelhersteller nicht gehabt, meinte Hubberten. Die Zahl der ausgegeben Essensmarken sei schließlich limitiert.

"Da hätte es eine Abmahnung doch getan - wir sollten eine Güterabwägung vornehmen", schlug Hubberten der Gegenseite vor. Doch die wäre nur bereit, den fristlosen Rausschmiss in eine "ordentliche Kündigung", umzuwandeln. Das lehnt dier Kläger ab. Jetzt geht die Angelegenheit vor dem Arbeitsgericht in die nächste Runde.

südwest presse,10.02.2010

Letzte Änderung: 10.02.2010