Müllmann siegt vor Gericht

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11.02.2010 Rauswurf wegen eines Diebstahls aus dem Abfall ist unverhältnismäßig

Einem Müllmann wurde fristlos gekündigt, weil er ein Kinderbettchen aus dem Abfall mitgenommen hatte. Das war übertrieben, urteilte ein Gericht.

Wieviel Vertrauen genießt ein Müllmann, der Abfall mit einem Gabelstapler durch Hallen transportiert? Viel, sagt der frühere Arbeitgeber und entließ den Mann im Dezember 2008 fristlos, weil er ein zur Entsorgung bestimmtes Kinderbett mit heim genommen hatte. Das Vertrauen der Kunden gehe durch solche "Diebstähle" verloren, begründete das Entsorgungsunternehmen den Rauswurf. Dieser Sichtweise widersprach jetzt auch in zweiter Instanz das Landesarbeitsgericht Mannheim, das die Kündigung für unwirksam erklärte.

Das Gericht bestätigte gestern in der Berufungsverhandlung das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom Juli 2009. Auch wenn man dem 30 Jahre alten Familienvater einen Pflichtverstoß unterstellen könne, so sei die Kündigung unverhältnismäßig gewesen. Der Mann sei schließlich mehr als sieben Jahre ohne größere Probleme für die Entsorgungsfirma tätig gewesen, begründete der Vorsitzende Richter Guido Schlünder das Urteil.

Ein Kollege hatte dem Mann im Dezember 2008 ein Kinderbett gebracht, das er im Müll gefunden hatte. Beobachtet von einer Kamera, die wegen behördlicher Auflagen installiert worden war, baute der 30-Jährige das Kinderbett auf, um zu sehen, ob es noch brauchbar ist. Dann baute er es wieder ab, brachte es in sein Auto und heim zu seinen beiden kleinen Töchtern.

Dass dies ein Diebstahl gewesen sein soll, sei ihm nicht bewusst gewesen, sagte er vor Gericht. "Stellen Sie mich nicht als Dieb hin", sagte er seinem Ex-Arbeitgeber. "Wenn ich hätte klauen wollen, hätte ich das nicht tagsüber gemacht und auch nicht vor einer Kamera." Das sah der frühere Arbeitgeber anders: Es habe ein ausdrückliches Verbot gegeben, Dinge aus den Containern mitzunehmen. Dies sei dem Mann auch bewusst gewesen, sagte die Anwältin der Firma. Es sei unerheblich, wie wertvoll der Gegenstand sei. "Uns steht es nicht zu, zu beurteilen, ob die Entsorgung sinnvoll ist", sagte der Geschäftsführer. Hätte ihn der Mitarbeiter aber gefragt, hätte er Rücksprache mit dem früheren Eigentümer des Bettchens gehalten und geprüft, ob es gegen eine Mitnahme Einwände gebe.

Der Anwalt des Mannes hielt dagegen, es habe kein besonderes Vertrauensverhältnis gegeben. Das unterscheide den Fall auch von dem der Kassiererin, der wegen angeblich unterschlagener Pfandbons gekündigt worden war.

Ob es nun tatsächlich Diebstahl war oder nicht, ließ das Landesarbeitsgericht zwar offen und verwies auf die schriftliche Urteilsbegründung. Viel wichtiger sei aber das langjährige Arbeitsverhältnis gewesen. Fortgesetzt werden wird dieses eher nicht. Denn auch wenn der Familienvater nach einer zwischenzeitlichen Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aufgrund der Krise wieder arbeitslos ist: Zurück will er kaum an seinen früheren Arbeitsplatz, sagte er vor Beginn der Verhandlung. Das Vertrauen sei auch von seiner Seite aus zerstört.

Immerhin kann er darauf hoffen, dass sein früherer Arbeitgeber den ihm entstandenen Schaden auch tatsächlich begleicht. Denn aufgrund der verhaltensbedingten fristlosen Kündigung bekam er drei Monate kein Arbeitslosengeld. Zuvor hatte er im Monat 2670 Euro verdient. Zudem dauerte es vier Monate, bis er einen neuen Job fand.

Zu den alten Kollegen hat er noch ein bisschen Kontakt. "Die sind noch vorsichtiger geworden", sagte er. Eine Revision ließ das Landesarbeitsgericht nicht zu, da es sich um einen Einzelfall handle und keinen von grundsätzlicher Bedeutung.

südwest presse,11.02.2010

Letzte Änderung: 11.02.2010