Pleite von langer Hand geplant?

03.04.2010 Belegschaft der Geislinger Firma Enfumo fühlt sich übel ausgebootet

Verraten und verkauft fühlt sich die Belegschaft der insolventen Geislinger Firma Enfumo. Ihr Vorwurf richtet sich an den vormaligen Eigentümer: Der habe den Ruin von langer Hand geplant.

RODERICH SCHMAUZ

Im Jahr 2000 war die Rollladenfertigung bei Rau Arabella (heutige Enfumo) ausgelastet. Foto: Schiele Geislingen Die schlimmsten Befürchtungen der 70 Beschäftigten bewahrheiteten sich: Als sie aus dem Zwangsurlaub über den Jahreswechsel zurückkehrten, gab es ihre Arbeitsplätze bei der Firma Enfumo in Geislingen nicht mehr. Die Maschinen waren abgebaut, das Materiallager hatte Lücken, Aufträge fehlten, Eigentümer und Geschäftsführer Rudolf Ziegler war wegen Krankheit nicht mehr greifbar. Er hatte soeben noch als letzte Tat beim Amtsgericht die Insolvenz beantragt. Erst drei Monate zuvor hatte er die Firma gekauft. Nun lassen der Enfumo-Betriebsrat, IG Metall und Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz nicht locker, sie versuchen gemeinsam die dubiosen Vorgänge aufzuklären, die zur Firmenpleite geführt haben.

Rückblende: 2004 war die Freude bei Rau Arabella groß, dass das zahlungsunfähige Geislinger Traditionsunternehmen, das Markisen, Rollläden und Raffstores produzierte, einen Käufer mit gutem Namen aus der selben Branche gefunden hatte: Hella mit Stammsitz in Abfaltersbach im österreichischen Tirol. Hella-Arabella teilte in den Jahren danach die Unternehmensgruppe in zahlreiche Einzelfirmen auf, die unterm Dach der Hella Holding GmbH geführt werden. Am Standort Geislingen fungierte unter anderem eine hundertprozentige Arabella-Tochter als reine Produktionsfirma, die alle Aufträge von der Mutter erhielt.

Im Oktober 2009 verkaufte Hella-Arabella diese Produktionsfirma an den ebenfalls aus Tirol stammenden Rudolf Ziegler und benannte sie in Enfumo um. Ziegler schwebte offenbar vor, mittelfristig und schrittweise die Produktion auf Photovoltaikanlagen umzustellen. Dazu kam es nicht im Ansatz.

Entgegen der Beteuerung von Hella-Arabella kündigte das Mutterunternehmen postwendend den bisherigen Produktionsvertrag - was das Aus für Enfumo bedeutete. Ziegler hatte die Produktionshalle nur angemietet, alle Maschinen gehörten ebenfalls Hella-Arabella. Die Beschäftigten, viele seit Jahrzehnten im Unternehmen, standen vor der Arbeitslosigkeit, ohne Aussicht auf Abfindungen und Sozialplan - scheint doch der neue, gesundheitlich stark angeschlagene Enfumo-Inhaber Ziegler nahezu mittellos zu sein.

Martin Troyer, Geschäftsführer von Hella-Arabella, sagt, wegen qualitativer Mängel und unpünktlicher Lieferung habe er die Aufträge an Enfumo aufgekündigt. In all den Jahren, in denen die Produktionsfirma dieselben Arbeiten für Hella-Arabella ausführte wie zuletzt, gab es keine Klagen. Die in Geislingen demontierten Maschinen stehen längst im großen neuen Hella-Werk in Tirol, dessen Kapazität noch nicht ausgereizt zu sein scheint.

"Es liegt nahe, dass das von langer Hand geplant war", um die 70 Enfumo-Beschäftigten möglichst billig loszuwerden, so lautet der Vorwurf von Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz. Enfumo-Käufer Ziegler "hat offenbar nur als Strohmann fungiert", meint Bernd Rattay, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Göppingen-Geislingen. Ziegler habe sodann die Firma schnell gegen die Wand gefahren.

Hella-Arabella will nach dem Verkauf mit Enfumo nichts mehr zu tun haben. Jüngst kündigte sie fristlos den Mietvertrag. So schnell wollen die Betroffenen Hella-Arabella aber nicht aus der Pflicht entlassen. Es handle sich um eine Betriebsverlagerung, Hella-Arabella müsse deshalb die Enfumo-Belegschaft weiterbeschäftigen, sind sich IG Metall und Insolvenzverwalter einig.

In voller Stärke wurden die ausgebooteten Geislinger Arbeitnehmer jüngst vor den Werkstoren in Abfaltersbach vorstellig. Der Betriebsrat versucht, die Vorgänge publik zu machen, wohl wissend, dass Hella-Arabella keinen Imageverlust brauchen kann. Und auch die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen.

südwest presse,03.04.2010

Letzte Änderung: 31.05.2016