Frühlingsgefühle erfassen den Automarkt

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23.04.2010 Hersteller sehen vor allem in den Schwellenländern die Trendwende

Aufatmen in der Autoindustrie: Fast alle Hersteller berichten wieder über steigende Absatzzahlen und fahren ihre Kurzarbeit deshalb zurück. Experten warnen aber vor übertriebenem Optimismus.

Es geht wieder rund am Automarkt: Ein Polo und ein Golf VI werden in einem der beiden Autotürme der VW-Autostadt aus dem Regal gehoben. Foto: dpa Hannover/Frankfurt Der Autofrühling ist angebrochen. Nach dem Krisenjahr 2009 kommt die Branche wieder in Schwung, die Trendwende ist geschafft. Getragen wird der Aufschwung vor allem durch die boomenden Märkte in Asien, allen voran China. Aber auch auf dem lange kriselnden US-Automarkt brummt das Geschäft wieder.

"Die große Krise scheint vorbei zu sein", sagt Professor Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive der Fachhochschule Bergisch Gladbach. "China ist zur Lokomotive geworden." Allerdings bleibe abzuwarten, ob die Entwicklung nachhaltig sei. Er verwies auf massive staatliche Kaufanreize in China. Zudem komme die Autoindustrie aus einem tiefen Tal.

Dazu kommt, dass in Westeuropa nach dem Auslaufen staatlicher Programme wie der Abwrackprämie die Verkäufe zurückgehen. Besonders dramatisch ist die Entwicklung in Deutschland, wo der Absatz 2010 nach übereinstimmenden Prognosen auf unter 3 Mio. Zulassungen einbrechen wird, nach dem Rekord von 3,8 Millionen 2009.

Autohersteller und Zulieferer verbreiten dennoch Zuversicht - Produktionsausfälle bei BMW, Daimler und Opel wegen der Flugverbote sind kaum mehr als eine Randnotiz. Gerade bei Daimler ziehen die Geschäfte wieder kräftig an. Europas Branchenprimus VW verkündete einen Gewinnsprung. Der italienische Autokonzern Fiat verringerte seine Verluste im Auftaktquartal massiv, der weltgrößte Autozulieferer Bosch will nach einem Milliardenverlust wieder in die schwarzen Zahlen zurückkehren. Und im Eisenacher Opel-Werk gibt es dank steigender Corsa-Nachfrage vorerst keine Kurzarbeit mehr.

"Die globale Konjunkturerholung lässt auch den Automobilmarkt allmählich wieder anspringen", heißt es in einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Die Gesellschaft hob eine frühere Prognose an und erwartet nun für 2010 eine weltweite Auto-Produktion von 65 Mio. Fahrzeugen. 2009 war die globale Fertigung von 66 Mio. auf 57,2 Mio. Pkw eingebrochen. "Die Autoindustrie findet allmählich zurück zur Normalität", urteilt Felix Kuhnert von PwC.

Für die Branche komme es nun darauf an, den eingeschlagenen Weg weiterzuführen: "Das Thema Kostensenkung bleibt weiter auf der Agenda", sagt Bratzel. Der Autoexperte erwartet weitere Allianzen nach dem kürzlich verkündeten Bündnis zwischen Daimler und Renault-Nissan bei Kleinwagen. "Das war nicht das Ende" - zumal die chinesischen Autobauer auf die globalen Märkte drängten.

Bessere Geschäfte braucht die Branche auch, um Kraft und Geld zu haben für die Herkulesaufgabe der kommenden Jahre: den Aufbruch ins Elektro-Zeitalter. Für die Entwicklung von Elektroautos sind Milliarden-Investitionen notwendig, vor allem bei der Batterietechnik gibt es noch viele Probleme.

Der Auto-Experte der Deutschen Bank, Eric Heymann, sieht den "Grad der Elektrifizierung in der Autoindustrie" zwar in den nächsten Jahren stetig ansteigen. Die Zeitenwende werde sich aber über die kommenden zwei Jahrzehnte hinziehen: "Damit reine Elektrofahrzeuge ohne Subventionen für den Massenmarkt attraktiv werden, müssten die Batteriekosten um 70 bis 80 Prozent sinken. Das ist kurzfristig nicht zu erreichen." dpa

südwest presse,23.04.2010

Letzte Änderung: 23.04.2010