Arbeitsrecht

29.04.2007 Im Zweifel für den Arbeitnehmer - Bundesarbeitsgericht erschwert Arbeitgebern die Tarifflucht

Unternehmen, die sich von den Pflichten eines Tarifvertrags befreien wollen, haben es künftig deutlich schwerer. Der bloße Austritt aus dem Arbeitgeberverband allein genügt jedenfalls in gewissen Fällen nicht. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil (Aktenzeichen: 4 AZR 652/05).
Damit setzten die Richter eine Änderung der Rechtsprechung um, die sie aus Gründen des Vertrauensschutzes bereits im Dezember 2005 angekündigt hatten. Konkret geht es um eine Klausel, die Tarif gebundene Arbeitgeber normalerweise mit ihren Angestellten vereinbaren und die daher in Arbeitsverträgen üblich ist: der Verweis, dass die einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung gelten sollen.
So profitieren die Arbeitnehmer von allen Errungenschaften der Tarifparteien, also zum Beispiel von den Gehaltssteigerungen oder zusätzlichen Urlaubstagen. Problematisch wird es aber, wenn der Arbeitgeber irgendwann nach Abschluss des Vertrags aus dem Arbeitgeberverband austritt. In seiner früheren Rechtsprechung entschied das BAG, dass der Verweis im Arbeitsvertrag von dem Moment des Austritts an nicht mehr dynamisch, sondern nur noch statisch wirkt.
Es sollten also nur die Bestimmungen des Tarifvertrags weiterhin gelten, die zu diesem Zeitpunkt vereinbart waren. Von späteren Änderungen, wie etwa weiteren Gehaltserhöhungen, profitierten die Arbeitnehmer dann nicht mehr.
Diese Rechtsprechung hat das BAG jetzt jedoch aufgegeben. Hintergrund ist die Schuldrechtsreform, die am 1. Januar 2002 in Kraft trat und die zur Folge hat, dass Unklarheiten in Arbeitsverträgen zu Lasten des Arbeitgebers gehen. Für Arbeitsverträge, die seit 2002 abgeschlossen wurden und die "auf den einschlägigen Tarifvertrag in der jeweils gültigen Fassung verweisen", gelte daher: Aus dem Tarifverband ausgetretene Arbeitgeber müssen ihren Arbeitnehmern auch solche Änderungen gewähren, die die Tarifparteien nach dem Austritt vereinbart haben.
"Das ist für viele Arbeitgeber ein ernstes Problem", sagt Frank Achilles, Arbeitsrechtsexperte bei der internationalen Kanzlei Heisse Kursawe Eversheds "Von den Verpflichtungen lösen können sich Arbeitgeber nur noch, indem sie die Bezugnahme im Arbeitsvertrag entsprechend ändern."
Süddeutsche e-paper - 20.04.2007

Letzte Änderung: 21.11.2007