Spezialisiert auf Betriebsräte-Rausschmiss
Scheinbar honorige Rechtsanwälte helfen Vorständen, unliebsame Betriebsräte, verheiratete Schwangere und alleinstehende Behinderte aus dem Job zu drängen. Für die Schmutzarbeit werben sie im Internet, schreiben Ratgeberbücher und bieten bundesweit Seminare für Unternehmer und Manager an, die so genannte Unkündbare um (fast) jeden Preis los werden wollen. Als Kopfprämie für einen aktiven Betriebsrat sollen Beträge von mehr als einer Million Büro kassiert werden.
"Am Anfang haben wir lange nichts bemerkt", berichtet die frühere Betriebsrätin aus einem süddeutschen Telekommunikationsunternehmen. Erst nach mehreren Jahren stellte sich heraus, dass Spezialanwälte im Dienst der Geschäftsführung mit einer langfristigen Zermürbungsstrategie ein gutes Dutzend Betriebsräte aus dem Unternehmen drängen sollten. Sie hatten Erfolg. Am Ende herrschte in der Firma mit mehreren hundert Beschäftigten "überall blanke Angst", sagt ein anderer Ex-Betriebsrat, der seit damals schwer erkrankt ist.
Das Gesetzbuch ist für diese Anwälte nur eine Waffe unter vielen. "Mit perfiden Tricks fahren sie ganz auf der persönlichen Schiene", charakterisiert ein Gewerkschaftssekretär für Banken und Versicherungen den anwaltlichen Psychoterror. Im ersten Schritt versuchen sie Distanz zwischen dem Betriebsrat und der Belegschaft zu schaffen. Danach folgt die Forderung nach einem Rücktritt des angeblich fremdgesteuerten Betriebsrates.
Der in die Strategie oft unwissentlich eingebundene Aufsichtsrat erklärt, dass aufgrund der Querelen an eine weitere Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat nicht zu denken sei. Einzelne Betriebsräte werden mit Nichtigkeiten unter Druck gesetzt und in ausufernde Prozesse verwickelt. So kündigte in Berlin ein Pharmaunternehmen seine Außendienstvertreterin mehrfach erfolglos - und geht doch in Berufung. Einen Vorwand für einen Arbeitsgerichtsprozess finden solche Anwälte immer, ein angeblich lückenhafter Arbeitsvertrag reicht schon. Die Streitwerte, um die es vor Gericht geht, werden auf Millionensummen aufgeblasen.
Ausgetüftelte Strategie
Reichen betriebsinterne Querelen und juristisches Dauerfeuer nicht aus, wird der Betriebsrat intern vollständig abgeschottet. Vorgesetzte verwarnen Beschäftigte sogar für Kontakte mit dem Betriebsrat. Mobbing, Isolation
und von Psychologen ausgetüftelte Attacken auf das Selbstwertgefühl "schwacher" Lohnabhängiger beeinflussen zugleich den Kontakt zu Freunden und zur Familie. "In der Regel hält das Umfeld die ständige
Verbalisierung des Konflikts nicht aus", berichtet eine Beobachterin.
In einem nächsten Schritt werden Opfer in Regionalpresse und Internet angeprangert, etwa als Spesenbetrüger. Normalerweise aus der Luft gegriffene Gerüchte, gegen die sich Beschäftigte öffentlich und privat kaum wehren können.
Mag die Strategie bis hierher perfide, aber wenigstens noch am Rande der Legalität erscheinen, überschreiten Anwälte und ihre Auftrageber den Rubikon, wenn sie ihren Opfern Diebstähle in die Schuhe schieben, Detekteien anheuern, Autobahnverfolgungen arrangieren oder Führungskräfte nötigen, falsche eidesstattliche Versicherungen zu unterschreiben.
Die Opfer geben fast immer auf und verlassen die Firma, oft krank an Seele und Körper. "Die Prozesse haben wir zwar alle gewonnen, aber am Ende doch verloren", sagt eine Betroffene. Zu den Verlierern zählt allerdings auch manches Unternehmen, das sich mit unmoralischen Anwälten einließ: Später schämen sich viele Mittäter, seriöse Manager mit Rückgrat kündigen und das Arbeitsklima ist nachhaltig zerstört.
VON HERMANNUS PFEIFFERFR online 16.04.2007
Letzte Änderung: 21.11.2007