Aufruf zu Toleranz

09.05.2007 Helmut Schmidt misstraut allen, die Religion und Politik vermischen

Tübinger Elite versammelte sich gestern Abend zum siebten "Weltethosrede" in der Universität. Zu Gast war Helmut Schmidt, von 1972 bis 1984 Bundeskanzler.
Anlass war die 7. Weltethos-Rede während eines Treffens früherer Staats- und Regierungschefs zum Thema "Weltreligionen als Faktor der Politik". Politische Entscheidungen sollten rationaler Abwägung folgen und nicht Stimmungen der Gesinnung, sagte Schmidt. Er prangerte gewaltsame Einmischung in die Angelegenheiten souveräner Staaten an wie im Balkankrieg.

"Zum Ethos der Politikers" sollte Schmidt reden. Seine rede wurde zu einem Plädoyer für religiöse Toleranz, aber auch für strikte Trennung zwischen der "auf das Jenseits orientiert Religion" und der dem Diesseits verpflichteten Politik.
Einem gläubigen Muslim, so Schmidt, verdankte er den Anstoß, über die gemeinsamen moralischen Gebote der großen Religionen nachzudenken.
Der ägyptische Staatspräsident Anwar Al-Sadat habe ihn auf das "gemeinsame Friedensgebot" der Religionen, in der christlichen Bergpredigt wie in der vierten Sure des Korans, hingewiesen.
Sadat habe diese Überzeugung in Politik umgesetzt und mit Israel Frieden geschlossen, ehe er "durch religiöse Eiferer" ermordet wurde.
Für Schmidt jedoch "bleibt das Gewissen die oberste Instanz" für jeden handelnden Politiker. Nicht ohne Hinweis auf den US-Präsidenten George W. Bush und den "lügenhaftig" begründeten Irak-Krieg lautet sein Credo: "Misstraue jedem Politiker, jedem Regierungs- oder Staatschef, der seine Religion zum Instrument seines Machtstrebens macht". Bush hatte das militärische Vorgehen gegen Sadam Husseins Regime auch mit seinem Glauben begründet.
Religiöse Bekenntnisse spielen nah Ansicht von Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) in einer rechtsstaatlich-demokratischen Ordnung keine entscheidende Rolle. Wer als politische Führer zu Respekt und Toleranz gegenüber anderen nicht fähig sei, sei eine Gefahr für den Frieden, mahnte der 88-Jährige gestern Abend in Tübingen.
Anlass war die 7. Weltethos-Rede während eines Treffens früherer Staats- und Regierungschefs zum Thema "Weltreligionen als Faktor der Politik". Politische Entscheidungen sollten rationaler Abwägung folgen und nicht Stimmungen der Gesinnung, sagte Schmidt. Er prangerte gewaltsame Einmischung in die Angelegenheiten souveräner Staaten an wie im Balkankrieg.
Schmidts öffentlicher Auftritt war Höhepunkt im Programm eines Treffens ehemaliger Regierungschefs, die sich im "Inter-Action-Council" mit ähnlichen Fragen beschäftigen wie Küngs-Stiftung Weltethos.
Quelle - Südwestpresse, 09.05.07

Letzte Änderung: 21.11.2007