Erziehung - Regierung verschärft Gesetz
Um Kinder vor Vernachlässigung zu schützen, nimmt das Land Schulen stärker in die Pflicht. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den das Kabinett heute beschließen will. Die Liste der Schicksale vernachlässigte Kinder
ist lang. Auf spektakuläre Fälle in anderen Bundesländern reagiert nur der baden- württembergische Kultusminister Helmut Rau mit einer Verschärfung des Schulgesetzes, in der Hoffnung, dass Baden-Württemberg
von Fällen grober Vernachlässigung verschont bleibt.
Konkret sollen Schulen verpflichtet werden, das Jugendamt zu unterrichten, wenn "gewichtige Anhaltspunkte" für eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegen. In der Regel, heißt es in dem Gesetzentwurf, der unserer Zeitung
vorliegt, werden die Eltern vorher angehört.
Schon bislang sind Eltern rechtlich zur guten Zusammenarbeit mit der Schule verpflichtet. Aber selbst, wenn Lehrer einen dringenden Gesprächsbedarf sehen, die Bitte aber abgelehnt wird, hat dies keine Konsequenzen. Das soll sich
ändern: Sieht die Klassenkonferenz einen Aussprachebedarf, sollen künftig mögliche Rabeneltern eine zweite Einladung erhalten, in der auf Erscheinungspflicht und die Möglichkeit hingewiesen wird, bei abermaligen
Verweigerung das Jugendamt einzuschalten.
Auch im Kampf gegen Schulschwänzer will das Land den Behörden ein konsequenteres Vorgehen ermöglichen. Auf der Suche nach Kindern, die über einen längeren Zeitraum blau machen, soll die Polizei notfalls und auf
richterlichen Beschluss hin die Wohnung der Eltern durchsuchen dürfen. Hamburg hat 2005 eine ähnliche Regelung erlassen, nachdem dort die siebenjährige Jessica verhungert war.
Finanzielle Strafe
Eltern, die die Schulpflicht ihrer Kinder vernachlässigen, sollen zudem konsequenter zur Kasse gebeten werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Schulaufsichtsbehörde die Aufforderung an Eltern, ihre Kinder zur Schule zu
bringen, mit der Androhung eines Zwangsgelds garnieren und so direkt Druck ausüben kann.
Bislang müssen die Behörden im Streitfall vor Gericht ziehen und ein oft langwieriges Bußgeldverfahren anstrengen. In vielen Fällen, heißt es in der Kabinettsvorlage, habe sich das bisherige Vorgehen als
"unwirksam" erwiesen. Offenbar stellen die Gerichte entsprechende Verfahren öfter ein, als der Regierung lieb ist.
Künftig darf ein notorischer Schulschwänzer schon vor Beendigung des Rechtsstreits mit Hilfe der Polizei zum Unterrichtsbesuch gezwungen werden, falls das Kind trotz Aufforderung der Schule dort nicht einmal vorgestellt wird.
So will das Land feststellen, ob mehr im Argen liegt als die Verletzung der Schulpflicht. Spätestens Anfang 2008 sollen die Neuerungen gelten.
Südwestpresse, 15.05.07
Letzte Änderung: 21.11.2007