Entgeltumwandlung hängt in der Luft
Millionen von Arbeitnehmern nutzen die Möglichkeit der Geltumwandlung, um fürs Alter zusätzlich vorzusorgen. Doch dies droht ab 2009 wesentlich an Attraktivität zu verlieren, weil dann Sozialbeiträge fällig
werden. Die Stimmen in Berlin mehren sich, die dies ändern wollen.
Binnen wenige Jahre hat sich die Entgeltumwandlung zu einem beliebten Weg entwickelt, zusätzlich fürs Alter vorzusorgen: Rund 9 Millionen Arbeitnehmer nutzen diese Möglichkeit der betrieblichen Altersvorsorge. Seit 2002
muss jeder Arbeitgeber dies allen Mitarbeitern anbieten, ob über eine Pensionskasse, einen Pensionsfond oder eine Direktversicherung.
Finanziell beteiligen muss sich der Arbeitgeber nicht. Dennoch ist die Umwandlung für Arbeitnehmer attraktiv: Sie können 4 Prozent ihres Lohns oder Gehalts einzahlen, maximal derzeit 2520€ im Jahr. Dafür fallen
weder Lohnsteuer noch Sozialabgaben an. Letzteres läuft allerdings Ende 2009 aus.
Daher fordern Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften in seltener Einigkeit, dies zu verlängern. Sie befürchten, dass die Arbeitnehmer reihenweise ihre Verträge kündigen oder beitragsfrei stellen lassen, sprich
nicht weiter einzahlen.
Ihre zusätzliche Rente fiele sehr mager aus. Gerade bei Aldi- und Lidl-Kassiererinnen sei die Entgeltumwandlung beliebt, sprich bei der unteren Einkommensgruppe, begründet dies ein Wissenschaftler. Müssten sie durch die
Sozialbeiträge plötzlich etwa 20 Prozent mehr für die gleiche Leistung zahlen, würden sie reihenweise aussteigen.
Dennoch war Bundessozialminister Müntefering lange entschlossen, am Auslaufen festzuhalten. Denn der Sozialversicherung gehen erhebliche Einnahmen verloren: zwischen 1,1 und 2 Milliarden Euro schwanken die Schätzungen. Umso
erstaunlicher ist seine jüngste Kehrtwende: Das Sozialministerium prüfe, ob die bisherige oder eine gleichwertige Regelung sinnvoll sei.
"Auf jeden Fall werde die bisherige Regelung nicht ersatzlos auslaufen", erklärte Staatssekretär Thönnes, zweifellos mit Münteferings Zustimmung.
Gesundheitsministerin Schmidt wäre sicher nicht begeistert: Der gesetzlichen Krankenversicherung drohen Millionen-Einnahmen weiter durch die Lappen zu gehen.
Ein Vorschlag ist ein Mittelweg: Ab 2009 sollen Beitrag für die Kranken- und Pflegeversicherung fällig werden. Denn beide haben durch die Beitragsfreiheit keine geringeren Ausgaben, ihnen fällt also echt Geld - im
Gegensatz zu Rentenversicherung: Zusätzliche Beiträge führen bei ihr im Alter zu einer höheren Rente.
Im Prinzip ist dies ein Nullsummenspiel, weshalb die Entgeltumwandlung weiter rentenbeitragsfrei bleiben könnte. Allerdings fiele dadurch die jährliche Rentenerhöhung niedriger aus, was insbesondere die Empfänger
kleiner Renten treffe, warnt Rentenversicherungspräsident Rische.
Die Koalitionsfraktionen sind noch nicht überzeugt. Die Beitragsfreiheit sei nur als Anschubfinanzierung gedacht gewesen, begründet dies Ralf Brauksiepe, Chef der sozialpolitischen Arbeitsgruppe der Union. Er betrachtet eine
Verlängerung skeptisch:
"Das Geld wird in den Sozialkassen gebraucht." Auch die SPD-Fraktion sei bisher nicht mit Plänen auf die Union zugegangen. Beraten wollen die Koalitionspartner das Thema nach der Sommerpause. Sollte es neue Erkenntnisse geben,
schließt Brauksiepe ein Umdenken nicht aus. Erst einmal geht er davon aus, dass es beim Auslaufen Ende 2009 bleibt.
Südwestpresse, 22.05.07
Letzte Änderung: 21.11.2007