Verfehlte Förderpolitik

31.05.2007 Kein anderes Bundesland gebe weniger Mittel für den Mietwohnungsbau aus als Baden-Württemberg

Der Deutsche Mieterbund bezeichnet die Wohnungsbaupolitik in Baden-Württemberg als verfehlt. Kein anderes Bundesland gebe weniger Mittel für den Mietwohnungsbau aus als Baden-Württemberg. Dabei herrsche in Stuttgart und auch den Universitätsstädten akute Mangel an bezahlbarem Wohnraum.
In Deutschland werden zu wenig Mietwohnungen gebaut. Das hat Anke Fuchs, scheidende Präsidentin des Deutschen Mieterbundes, im Vorfeld des Deutschen Mietertages in Stuttgart beklagt. Zwar stiegen im vergangenen Jahr die Kaltmieten im Durchschnitt nur um rund 1 Prozent. Belastet würden Mieter aber nicht zuletzt wegen steigender Energiekosten.
"Gleichzeitig bewegen sich die Neubauzahlen auf niedrigstem Niveau", bemängelte Fuchs, die seit zwölf Jahren an der Spitze des Mieterbundes steht. Der soziale Mietwohnungsbau schaffe keine Entlastung mehr, und die öffentliche Hand verkaufe immer mehr Wohnungen an Finanzinvestoren.
Fuchs und ihr designierter Nachfolger Franz Georg Rips, Direktor des Mieterbundes, kritisieren insbesondere die Wohnraumförderpolitik in Baden-Württemberg, für die das Land jährlich 6 Millionen Euro ausgibt.
Zum Vergleich: in Bayern betragen die jährlichen Fördermittel des Freistaates 165 Millionen Euro, in Hamburg rund 200 Millionen Euro und in Nordrhein-Westfalen 800 Millionen Euro.
Im Südwesten werde der Mietwohnungsbau sträflich vernachlässigt. Allein um den alternden Bestand zu erhalten, werden nach Einschätzung von Experten
50 000 Neubauten pro Jahr benötigt. Doch diese Zahl wird seit Jahren unterschritten, zuletzt lag sie bei 33 000. Kein Land fördere den Mietwohnungsbau so wenig wie Baden-Württemberg. "Die 6 Millionen Euro sind ein Klacks", sagte Rips.
Dass das Interesse am Neubau von Mietwohnungen weitgehend erlahm ist, begründete Fuchs mit der Streichung von Zuschüssen für sozialen Wohnungsbau, aber auch dem Wegfall der degressiven Abschreibung. Fuchs plädierte an die Länder, die für die Wohnungsförderung nun zuständig sind, und insbesondere an den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Oettinger: "Wir brauchen eine aktive Wohnungs- und Mietenpolitik, die diese Negativspirale stoppt. Der Markt regelt nicht, dass jeder eine bezahlbare Wohnung bekommt."
Allerdings gibt es erhebliche regionale Unterschiede, hob Rips hervor. Bundesweit fehlten 130 000 neue Wohnungen pro Jahr. Groß ist der Mangel vor allem in den Ballungsräumen München, Stuttgart, dem Rhein-Main-Gebiet, in Hamburg, sowie allen Universitätsstädten. Allein in Stuttgart fehlten 15 000 Wohnungen. Die Mieten liegen dort teilweise 30 Prozent über dem Bundesdurchschnitt.
Sehr kritisch sieht Fuchs den zunehmenden Verkauf von Wohnungen durch Bund, Länder und Kommunen an internationale Finanzinvestoren. Die neuen Eigentümer seien aber lediglich Wohnungshändler. Sie suchen eine schnelle und hohe Verzinsung des Kapitals.
Fuchs verwies auf eine Studie des Bundesamtes für Bauwesen, nach der 230 000 Wohnungen veräußert worden sind. So genannte Problemmieter, also Sozialschwache mit Finanzschwierigkeiten, hätten bei den neuen Eigentümern keine Chance.
"Soweit durchsetzbar, werden Mieten erhöht." In Berlin seien die Mieten der Wohnungsgesellschaft GEHAG durchschnittlich um 38,5 Prozent gestiegen.
"Wer Wohnungen wie andere Finanzanlagenprodukte kauft und verkauft, handelt gegen die Interessen der Mieter und Bürger. Das haben zwischenzeitlich viele Verantwortliche in den Städten begriffen", betont Fuchs.
Südwestpresse, 31.05.07

Letzte Änderung: 21.11.2007