Bald sollen alle Tagesmütter Steuern zahlen

09.06.2007 Bundesfamilienministerin fürchtet um geplanten Ausbau der Kinderbetreuung

Tagesmütter sollen ihre Einnahmen künftig voll versteuern. Das sorgt für Aufregung im Familienministerium. Dabei dürfen meist keine oder kaum Steuern anfallen.
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen ist in Rage: Tagesmütter sollen ihre Einkünfte von 2008 an voll versteuern. Deshalb könnten diese reihenweise die Arbeit niederlegen, fürchtet sie. Dabei will sie doch die Betreuung von Kleinkindern massiv ausbauen.
Alles begann mit einer Initiative aus den Bundesländern. Denn bisher werden Tagesmütter ungleich behandelt: Werden sie von dem Jugendämtern bezahlt, dann müssen sie keine Steuern zahlen, wenn sie maximal fünf Kinder betreuen. Die Zahlungen haben den Charakter von Beihilfen des Staates, und die sind steuerfrei. Kommt das Geld dagegen direkt von den Eltern, müssen es die Tagesmütter voll versteuern.
Das ist nicht nur unsystematisch, beklagen die Finanzverwaltungen der Bundesländer. Es fördert auch den Missbrauch: Die Zahlungen der Eltern können über die Jugendämter umgeleitet werden.
Das Problem wurde in der ständigen Runde der Fachleute von Bund und Ländern erörtert. Ergebnis war ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 24. Mai an die obersten Finanzbehörden der Länder - ein ständig praktiziertes Verfahren, um eine bundesweit einheitliche Anwendung der Steuergesetze zu garantieren.
Einnahmen aus der Kindertagespflege sind von 2008 an vollständig Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit "unabhängig von der Anzahl der betreuten Kinder und von der Herkunft der vereinnahmten Mittel". Allerdings würde die Pauschale erhöht, die der Einfachheit halber für die Betriebsausgaben angesetzt werden kann, nämlich von 246 Euro auf 300 Euro pro Kind und Monat.
Prompt schrieb Familien-Staatssekretär Gert Hoofe einen Brandbrief ans Finanzressort: Dies gefährde den Ausbau der Betreuung für Kinder unter drei Jahren bis 2013.
Tagesmütter würden bei Besteuerung ihrer Einnahmen die Kinderbetreuung aufgeben. Die Kommunen würden eine Erhöhung des Pflegegeldes als Ausgleich der Besteuerung nicht mitmachen. Seine Forderung: Die Besteuerung solle mindestens bis 2013 ausgesetzt werden. In die gleiche Kerbe hieb der hessische Finanzminister Karlheinz Weimar, derzeit Vorsitzender der Finanzministerkonferenz.
Im Bundesfinanzministerium versteht man die ganze Aufregung nicht. Schließlich haben Beamte von Weimar an der Entscheidung mitgewirkt. Zudem sei die steuerliche Belastung gar nicht so groß. Dazu rechnete ein Sprecher des Finanzministers Peer Steinbrück das Beispiel für eine Tagesmutter vor, die fünf Kinder betreut und vom Jugendamt jeweils eine Pauschale von 500 Euro pro Monat erhält. In Steuerklass I müsste sie statt derzeit 0 Euro künftig 158 Euro bezahlen, pro Jahr wohlgemerkt.
Das Familienministerium will dagegen frühzeitig Einwände erhoben haben. Das Hauptproblem ist wohl die Krankenversicherung: Die meisten Tagesmütter sind bei ihrem Ehemann mitversichert. Gelten sie als Selbstständige, müssen sie selbst Kassenbeiträge zahlen, eine erhebliche zusätzliche Ausgabe. Doch davon steht nichts in Hoofes Brief.
Südwestpresse, 08.06.07

Letzte Änderung: 21.11.2007